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Kathrin Jira und Jörg Schieke (Hg.): Doppelte Lebensführung

Kathrin Jira und Jörg Schieke (Hg.): Doppelte Lebensführung

Kathrin Jira und Jörg Schieke (Hg.): Doppelte Lebensführung. 256 S.

Was hat ein Dorf bei Hoyerswerda mit einem bei Plauen oder mit einem zwischen Leipzig und Bad Düben gemeinsam? Wahrscheinlich bleibt da nicht viel, was nicht auch auf andere Dörfer in der Bundesrepublik zutrifft, gemeinsam ist den dreien ja nicht einmal der Dialekt. Was sächsische Autoren beschäftigt, dürfte sich in ähnlicher Weise einem gemeinsamen Nenner entziehen, wofür der Band »Doppelte Lebensführung« gewissermaßen einen Beleg darstellt. Denn die dort eingangs gestellten Fragen danach, welche Themen und Anliegen Autorinnen in Sachsen haben, werden nicht mit Sachsenbezug beantwortet – zum Glück, möchte man fast sagen. Sogar die Islamisierung des Abendlandes der Besorgtbürger und Wendeerfahrungen treten in den Hintergrund. Ebenfalls zum Glück wird das Merkmal »sächsisch« nicht allzu eng definiert, wird es weder per Geburtsort zugewiesen noch über eine Mindestanzahl von Jahren, die im östlichsten aller Freistaaten zugebracht wurden. Wer angesichts der Verheißung »Neue Prosa« im Untertitel taufrische Texte erwartet hat, wird diese zwar finden, dazwischen aber so manches aus vergangenen Jahren oder Jahrzehnten. Dank all dieser Nicht-Eingelöstheiten ist ein bunter, vielstimmiger Reigen von Texten oder Textausschnitten entstanden, die zu einer Reihe von ­Betrachtungen einladen. Zum Beispiel der, dass Textgüte und Fabulierkunst nicht zwangsläufig mit fortgeschrittenem Lebensalter zusammenhängen oder diese vielleicht sogar unabhängig vom Alter sind. Denn: Die meisten der gut drei Dutzend Kurzprosatexte sind wunderbare Erzählstücke. Damit wird die Anthologie zum Sprungbrett, entweder in das Werk von großartigen Autoren wie Christian Hussel oder in Romane, die erst noch erscheinen werden, zum Beispiel von Kurt Drawert, Christine Koschmieder oder Jan Kuhlbrodt.  Franziska Reif


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