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Klaus Theweleit: Männerphantasien

Klaus Theweleit: Männerphantasien

Klaus Theweleit: Männerphantasien. 200 S.

»Der Körperpanzer der Männer wäre demnach ihr Ich.« – Nach rund 40 Jahren erscheint der lang vergriffene Theorieschlager »Männerphantasien« endlich neu. Im zweibändigen Werk analysiert Kulturtheoretiker Klaus Theweleit die Freikorpsliteratur nach dem Ersten Weltkrieg. Viele der Davongekommenen verarbeiteten ihre Erfahrungen in Fiktion und Tagebuch. Was wie ein Spezialthema klingt, fördert im Gegenteil allgemeine Einsichten zutage, welch kaputte Subjekte einer gewaltförmigen Gesellschaft entspringen. Damit liefert das Buch eine Teilerklärung für die aktuelle Verrohung. Die Kernthese ist, dass diese Männer in ihrer Entwicklung unfertige Subjekte geblieben sind. Gewalt in der Familie, in der Schule, die Kadettenerziehung, Drill verhinderten, dass sich das Individuum in lustvoller Körpererfahrung frei entwickeln kann. Diese Männer – Theweleit spricht nur von ihnen, weil sie im Patriarchat dominieren – erfahren ihren Körper nur von außen, durch Gewalt – sie entwickeln einen Panzer und Unsicherheiten. Diese faschistischen Körper werden von einem Angstgefühl beherrscht, das sie anfällig macht für kollektivistische Brutalität. Sie externalisieren ihr Selbstbewusstsein an Heer, Volk, Anführer. Der sich selbst unbekannte Mann fühlt sich vom wahrgenommenen Anderen permanent bedroht. Frauen jenseits der Mutterfigur tauchen in ihrer Sprache als Fluten auf, die man eindämmen muss. Genauso wie die roten, chaotischen Wellen der Linken, die man totschlagen muss. Darum müssen sie auch die Demokratie, die per se vielstimmig ist, ablehnen. Richtige Menschen in diesen Köpfen sind nur der soldatische Mann und die brave Ehefrau. Ihr innerer Aggregatzustand ist der andauernde Krieg, Gewalt ihr Mittel. Starke Parallelen zeigen sich in vielen Aspekten der von Theweleit untersuchten Texte und der heutigen Sprache der Rechten, die oft in so einem Fragmentkörper stecken: Da geht es um Männlichkeit, das Soldatische, Wehrhaftigkeit. Man muss das als Warnung verstehen. Aus den Freikorps rekrutierten sich die ersten glühenden Hitleranhänger – die nicht nur Panzer rollen ließen. Tobias Prüwer


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