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Michael Jürgs

Michael Jürgs

Im Labyrinth des Doofen - Mit »Seichtgebiete« liefert Michael Jürgs eine Bestandsaufnahme des Blöden

Michael Jürgs. 256 S.

Bücher, die den Leser mit kollektivem »wir« ansprechen, sind grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen. »Seichtgebiete« ist so ein Fall: Der ehemalige Stern-Chefredakteur Michael Jürgs will darin erklären, »warum wir hemmungslos verblöden«. Zunächst einmal stellt er aber klar, dass gar nicht alle Menschen blöd sind, ja, dass der prozentuale Anteil der Blöden an der Gesamtbevölkerung nicht einmal zugenommen hat. Die Blöden seien nur sichtbarer als früher, so die Klage. Na gut, wenn Hinz und Kunz eine öffentliche Bühne bekommen, könnte man das als dunkle Seite der Demokratie hinnehmen. Will Jürgs aber nicht. Warum jedoch alle Zuschauer wegen des Trash-TVs degenerieren, begründet er bis zuletzt nicht, auch wenn er die schlimmsten Ausgeburten doofer Unterhaltung aufzählt, die umfassende Trivialisierung gewitzt vorführt und zu Recht bejammert, dass die Orte, an denen man vor Getöse und Dumpfsinn sicher ist, verschwinden.In seinem Labyrinth des Doofen verliert Jürgs allerdings bisweilen selbst den Ariadnefaden. So mag es analytisch hilfreich sein, Blöde von Blödmachern zu trennen. In der Praxis hilft das jedoch wenig: Dieter Bohlen wird von Jürgs als einer der Blödmacher klassifiziert. Besonders hell ist er aber auch nicht. Bald weiß man nicht mehr, wer nun wofür genau verantwortlich gemacht werden soll, und das mutet ein wenig wie holprige Kapitalismuskritik an. Die Nachfrage bestimmt halt das Angebot, das ist auch beim Fernsehen so. Dass das Buch ausgerechnet in einem jener Verlage erscheint, die verbalen Dünnpfiff zu Bestsellern aufblasen, weckt eine Ahnung: Treibt das Buch nicht selbst an den Uferzonen der Seichtgebiete, zielt aufs Ego der Halbgebildeten, die sich dank Jürgs als Intellektuelle fühlen dürfen? Dies bleibt genauso unbeantwortet wie die Frage danach, wie man die Seichtgebiete trockenlegt. Jürgs fällt hierzu leider nicht mehr ein, als in das Lob von (Hoch-)Kultur und Bildung einzustimmen. Denen, die mit Veronica Ferres und Mario Barth nichts anzufangen wissen, bleibt nichts anderes übrig, als das selbstgewählte Nischendasein fortzuführen und mit Forrest Gumps kluger Formel die Welt zu betrachten: »Stupid is as stupid does«. Tobias Prüwer


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