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Michael Köhlmeier: Bruder und Schwester Lenobel

Michael Köhlmeier: Bruder und Schwester Lenobel

Michael Köhlmeier: Bruder und Schwester Lenobel. 544 S.

Dieser Roman ist in zweifacher Hinsicht merkwürdig. Er ist komisch, verrückt, nicht zu fassen. Und er ist einer, den man sich merkt, ja, vielleicht sogar ein zweites Mal lesen will und muss. Warum? Weil Michael Köhlmeier die Familiengeschichte von »Bruder und Schwester Lenobel« mit philosophischer Lust am Wort und mit jeder Menge Leerstellen erzählt, die wir Leser ausdeuten dürfen. Denn welches Leben ist schon komplett verständlich? Na, bitte! Der Witz an diesem Buch: Eine seiner Hauptfiguren, Robert Lenobel, ist selbst professioneller Lebens-Leerstellen-Ausdeuter. Er verdient das Geld für sich und seine vierköpfige Familie, indem er Fremden zuhört, die neben ihm auf der Couch liegen. Natürlich in Wien, natürlich mit jüdischer Herkunft. Klischees sind dafür da, dass man mit ihnen spielt. Eines Tages wird unser moderner Doktor Freud selbst verrückt. Der renommierte, Bücher verschlingende, ironisch-abgeklärte Psychiater bricht plötzlich auf nach Jerusalem, um sich selbst zu finden. Seine Familie ist ebenso ratlos wie seine Schwester, die schöne, kluge, lebenspraktische Jetti. Doch die hat mit ihren zwei Liebhabern in Dublin schon genug zu tun. Und als sie Roberts besten Freund Sebastian aufsucht, wird dieser Lover Nummer drei. »Bruder und Schwester Lenobel« ist ein moderner Buddenbrooks-Roman. Doch eine gute alte Zeit hat es für diese zerfallende Wiener Familie niemals gegeben. Alles war schon immer Patchwork. Wie die Figuren versuchen, in diesem Flickwerk ihren Glücksfaden weiterzuspinnen, das beschreibt Köhlmeier meisterhaft. Sofie Schneider


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