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Nadja Tolokonnikowa: Anleitung für eine Revolution

Nadja Tolokonnikowa: Anleitung für eine Revolution

Nadja Tolokonnikowa: Anleitung für eine Revolution. 224 S.

Feministin von klein auf, mit Pussy Riot im Punkgebet mal eben Staat und Kirche bloßgestellt und von Putin höchstpersönlich per Schauprozess in den schlimmsten Gulag in Mordwinien gesteckt: Nadja Tolokonnikowa schreibt in »Anleitung für eine Revolution« mit viel Bohei und Tamtam ihre Memoiren. Dabei betreibt sie nicht nur politisch-kämpferische Abwatsche, sondern auch Introspektive, Dokumentation und pubertäre Pöbelei. Das ist alles herzlich erfrischend und ergibt knackige 200 Seiten mit fast schon zum Manifest montierten Einblicken in Tolokonnikowas junges Leben. Episodisch springt die Erzählerin zwischen Kindheitserinnerung, Aktionskunst und Gulag-Alltag – und hält bis zum Schluss die Spannung aufrecht. Gespickt ist das Ganze immer wieder mit Direktzitaten von den russischen Kontrollorganen oder eben auch mal mit Philosophie, von Lacan über Kristeva bis Žižek. Letzterer hat mit Tolokonnikowa während ihrer Haft auch einen längeren Briefwechsel unterhalten, dieser ist leider bisher nur im Philosophie-Magazin auf Deutsch erschienen, wäre aber für alle Tolokonnikowa-Kritiker eine wichtige Lektüre. Denn ihren scharfen Verstand, präzise Rhetorik und belesenes Kritikbewusstsein zeigt sie in ihren Briefen allemal und spielt dabei oft ihr Konterfei gegen die Wand. Nachzulesen ist dies auf Englisch unter dem Titel »Comradely Greetings: The Prison Letters of Nadya and Slavoj« (London: Verso, 2014). In ihrer »Anleitung für eine Revolution« allerdings spricht eine Träumerin ebenso wie eine von den Erfahrungen im Gefängnis geprägte Aktivistin. In der zweiten Hälfte bekommen der systemische Schrecken der Zwangsarbeit und die menschenverachtenden Lebensbedingungen im Straflager besonders viel Platz – und dies sind mitunter die eindringlichsten Passagen.  Marcel Hartwig


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