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Philip Norman: Paul McCartney

Philip Norman: Paul McCartney

Philip Norman: Paul McCartney. 976 S.

Unter Beatles-Jüngern gibt es zwei Glaubensrichtungen. Die einen glauben, John Lennon sei das wahre Herz der Band. Wäre er nicht gewesen, hätte Schwiegermutter-Liebling Paul McCartney die Fab Four in die zuckerwattigen Höhen des rosaroten Schlager-Himmels geführt. Philip Normans fleißig recherchierte Biografie »Paul McCartney« ist dagegen Wasser auf die Mühlen derer, die meinen, ohne Lennons geerdeten Bassisten, Multi-Instrumentalisten und Koautoren sämtlicher Beatles-Songs wäre die Band nie die größte der Popgeschichte geworden. Norman, Jahrgang 1943, weiß, worüber er schreibt. Er hat die Pilzköpfe live gesehen, backstage besucht und mit vielen gesprochen, die seit Jahrzehnten um die zwei Sonnen Lennon und McCartney kreisen. Seine Beatles-Biografie »Shout!« (1981) verkaufte sich wie Fish’n’Chips nach einer Sauftour durch Liverpooler Pubs. Schon damals und verstärkt nach Johns Tod gelangte der Musikjournalist zu der Ansicht, Paul habe nach dem Ende der Pilzköpfe seine Magie verloren und sich in ein »selbstgefälliges Leichtgewicht« verwandelt. Sir Paul nahm die Kritik zur Kenntnis. Als er erfuhr, dass Norman an einer Lennon-Biografie schreibt, wollte er wissen, »wie dieser Typ so ist, der mich anscheinend nicht ausstehen kann«. Das ist Paul: nett, witzig, versöhnlich und die Gelegenheit beim Schopfe packend. Ein paar Jahre später gab er Norman die Zustimmung zu den Recherchen für sein McCartney-Buch. Entstanden ist ein Porträt, das einerseits einen spielerisch-experimentierfreudigen Musiker zeigt, ohne dessen Talent, Offenheit, Ehrgeiz, Disziplin und Geschäftstüchtigkeit Meisterwerke wie »Sgt. Pepper’s« nie entstanden wären, und andererseits einen Menschen, der versucht, sich ein bisschen Privatheit und Anstand in einem verkommenen Business zu bewahren. Wir Leser dürfen dabei Zeuge sein, wie ein Journalist seine alten Urteile aufgrund neuer Perspektiven revidiert und Totschlag-Argumente gegen Differenziertheit und Verständnis eintauscht. Sofie Schneider


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