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Pierre Pané-Farré: Soirée Fantastique / Günter K. Bose und André Grau: Esst mehr Bücher! / Günter Karl Bose: bookish!

Pierre Pané-Farré: Soirée Fantastique / Günter K. Bose und André Grau: Esst mehr Bücher! / Günter Karl Bose: bookish!

Pierre Pané-Farré: Soirée Fantastique / Günter K. Bose und André Grau: Esst mehr Bücher! / Günter Karl Bose: bookish!. 216 S.

»Typografie kann unter Umständen Kunst sein«: Diese Ansage an der Wand seines Büros begrüßte die Gäste von Günter Karl Bose. Er lehrte seit den neunziger Jahren bis zum letzten Dezember Typografie an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) und achtete sehr auf diesen Spruch. Grund genug, um seine Leipziger Lehrzeit Revue passieren zu lassen. »Esst mehr Bücher!« zeigt diesen Zeitabschnitt sehr bildreich, indem das Buch eine Auswahl an Arbeiten von Boses Studierenden aus den Jahren 2000 bis 2017 vorstellt. Fast sechzig Publikationen gelangten in das Werk hinein, das wiederum Studierende gestalteten. Bose selbst versteht es nicht als »Rückblick«, sondern als »Bilanz« zur »Vielfalt gestalterischer Haltungen im besonderen Klima der Leipziger Akademie«. So erklärt er in der eingangs zu lesenden Notiz. Zuvor, dazwischen und am Ende bebildern Schwarz-Weiß-Fotografien die Atmosphäre im Klassenraum. Auf jeweils einer Doppelseite werden die einzelnen Publikationen vorgestellt. Zu sehen sind die Cover und ausgewählte Innenansichten. Informationen zum Autor, eine kurze Inhaltsangabe, technische Daten sowie die Wettbewerbe und Preise, welche die Mehrzahl der Bücher gewann, sind an den Seitenrändern zu finden und treten so galant hinter die visuelle Erscheinung zurück. Im Interview gibt Günter Karl Bose zu, dass er mit dem Begriff »Buchgestalter« eigentlich gar nichts anfangen kann. Der allgemein wahrzunehmenden Tendenz von »mittlerer Qualität«, die nichts wagt, steht er sehr skeptisch gegenüber und zitiert Jost Hochuli, für den galt: »Typografie als Denkschule«. Entsprechend bevorzugt Bose Gestalter, »für die, wenn das Buch auf dem Tisch liegt, noch Fragen bleiben.« Außerdem sammelt er Fotografien. Vor ein paar Monaten stellte er im Deutschen Buch- und Schriftmuseum eine Auswahl vor, die sich dem Buch an sich unter ganz verschiedenen Blickwinkeln widmete. Das Buch dazu trägt den Titel »bookish! Ein Blick zurück«. Zu sehen sind Daguerreotypien aus den 1850er Jahren, auf denen Bücher als Attribute dienen; historische Fotografien zeigen Bibliotheksräume und Buchhandlungen, Aufnahmen aus Fotostudios, bei denen Kinder, Jugendliche, Frauen und Männer mit Büchern in der Hand posieren. Kurz: Das Buch liefert eine höchst amüsante wie auch lehrreiche Sammlung darüber, wer, wie und wo man ein Buch für ein wichtiges Attribut hielt und welche Räume dafür geschaffen wurden. Einen ganz anderen Blick in die Geschichte liefert »Soirée Fantastique« von Pierre Pané-Farré, das im Leipziger Institut für Buchkunst erschien. Sehr zu recht wurde es als »eines der schönsten deutschen Bücher 2017« von der Stiftung Buchkunst prämiert. Pierre Pané-Farré schloss damit sein Meisterschülerstudium in der Schriftklasse an der HGB ab und zeigt uns eine heute eher unbekannte Gestaltungsgeschichte. Dafür wählte er aus dem Bestand des Stadtgeschichtlichen Museums über sechzig Plakate aus, die zwischen 1850 und 1870 in der Leipziger Druckerei Oskar Leiner entstanden sind. Sie kündigen Zirkusdarbietungen, Wahlen, Ausstellungen oder Konzerte an. Damit kann der Leser nicht nur Kulturgeschichte erforschen, sondern sich an Gestaltungen von damals im öffentlichen Raum erfreuen. Den sehr farbfrohen Plakaten stellt Pané-Farré Stadtansichten der damaligen Zeit zur Seite. Damals, als Leipzig noch nicht vom Gründerboom erfasst war und die Stadt noch viele dörflich anmutende Ecken aufwies. Trotzdem zeigen die Fotografien von Alexander Seitz, wie bereits zu dieser Zeit Buchstaben den Stadtraum prägten: Läden und Hotels warben mit Schriftkolonnen um Aufmerksamkeit und an deren Seite musste sich das Plakat behaupten. Das Buch verbindet auf wunderbare Weise vergessene Stadtlandschaften und Schriftarten und liefert eine höchst amüsante Lektüre von Plakattexten. Britt Schlehahn


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