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Sandra Richter

Sandra Richter

Rainer Maria Rilke oder Das offene Leben. Eine Biografie. Berlin: Insel 2025. 478 S., 28 €

Sandra Richter.

Noch eine Biografie über Rainer Maria Rilke – muss das sein? Die eine oder andere über den Dichter der »Duineser Elegien« und des »Panthers« gibt es ja schon. Sandra Richter, Direktorin des Deutschen Literaturarchivs Marbach, teilt solche Bedenken nicht. In »Rainer Maria Rilke oder Das offene Leben« beleuchtet sie in kurzen Kapiteln das Leben des Dichters (1875–1926) anhand ausgewählter Themen: Neben familiären Prägungen und der Ehe mit Clara Westhoff sind das vor allem Rilkes Beziehungen zu seinen Zeitgenossen – darunter Auguste Rodin, Lou Andreas-Salomé und Eleonora Duse, aber auch sein Verleger AntonKippenberg, Gründer der Insel-Bücherei. Diese Herangehensweise macht die Lektüre kurzweiliger als das chronologische Vorgehen »von der Wiege bis zur Bahre«. Allerdings stehen die Kapitel recht isoliert zueinander, wodurch es schwerfällt, sich in die Lebensrealität Rilkes hineinzuversetzen. Richter zielt darauf, dem von Heidegger und Adorno geprägten Dichter-Bild ein differenzierteres entgegenzusetzen: Statt wie diese Fundamentalontologie (Heidegger) oder Proto-Faschismus (Adorno) in Rilkes Werken aufzuspüren, zeichnet die Autorin nach, wie kritisch der Dichter sich selbst und die herrschenden Verhältnisse betrachtete. Die von ihm stets postulierte Einsamkeit und politische Enthaltsamkeit stehen dabei im Kontrast zu seinem geselligen Leben und dem Gespür für wichtige historische Ereignisse, bei denen er mittendrin war, wie in der Münchner Räterepublik. Auch diese innere Widersprüchlichkeit, die Richter an vielen Beispielen herausarbeitet, macht Rilke zu einem Angehörigen der europäischen Moderne – und zu einem Künstler, der uns heute noch etwas zu sagen hat. Andrea Kathrin Kraus


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