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Saša Stanišić: Herkunft

Saša Stanišić: Herkunft

Saša Stanišić: Herkunft.

Was für ein Unsinn der Begriff Leitkultur ist, sieht man unter anderem daran, dass einer der besten gegenwärtigen Erzähler Deutschlands aus dem bosnischen Višegrad kommt. Die Kultur von Saša Stanišić, oder sagen wir besser, sein Leben, ist international im wahrsten Sinne des Wortes. Der Mann existiert zwischen Nationen. Gerade deshalb gehört sein Stil zum innovativsten der Gegenwart. Er behandelt die deutsche Sprache sowohl mit der verliebten Neugier als auch mit dem ungetrübt-kritischen Blick eines Fremden. Dabei entsteht schönste Prosa. Sein Debütroman »Wie der Soldat das Grammofon repariert« wurde in 31 Sprachen übersetzt. »Vor dem Fest« erhielt den Preis der Leipziger Buchmesse, »Fallensteller« den Rheingau- sowie den Schubart-Literaturpreis. Mit »Herkunft« legt er nun seinen bislang autobiografischsten Roman vor. Er handelt vom Land seiner Kindheit, das es nicht mehr gibt. Stanišić versucht, »den ersten Zufall« eines Lebens, den Ort, an dem ein Mensch zur Welt kommt, aus der Erinnerung zu beschreiben. Aber die ist trügerisch. Und die demente Großmutter, die in ihrem Enkel ihren Mann sieht, hilft da nur bedingt weiter. »Herkunft« erzählt auch davon, wie eine Zivilisation zerfällt. Sie stirbt, wenn der Wert eines Menschen nur nach Religion, Aussehen, Zugehörigkeiten definiert und jegliches Anderssein lebensgefährlich wird. Und die Barbarei beginnt immer in der Sprache. Das ist heute fast in ganz Europa ebenso wie vor einem guten Vierteljahrhundert auf dem Balkan. Übrigens bekam Stanišić seine Aufenthaltserlaubnis mit dem Zusatz «erlischt mit Beendigung der selbstständigen Tätigkeit als Schriftsteller und der damit verbundenen Aktivitäten«. Da war für ihn klar: »Ich durfte nichts sonst arbeiten. Das passte gut. Ich wollte auch nichts anderes arbeiten.« Sofie Schneider


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