Shinroku Shimokawa
Man kann keine Steine essen. Kochbuch eines japanischen Bildhauers. Stuttgart/Basel: Prima Publikationen 2021. 240 S., 35 €
Shinroku Shimokawa.
Die vier Jahreszeiten in den Fokus eines Kochbuchs zu stellen, ist nicht ungewöhnlich. Aber dass sich mit dieser Gliederung ausgerechnet ein Bildhauer ins Metier wagt, der sonst harten Steinen statt rohen Lebensmitteln eine neue Form gibt, lässt aufmerken. Kunst und Kochen also. Dass es sich bei der Speisenzubereitung als schöpferische Tätigkeit durchaus um eine bildende Kunstform handelt, mag manchem Banausen als kühne These erscheinen – doch Peter Granser, Verfasser des Vorworts, behält recht, denn sowohl beim Kochen als auch in der Kunst geht es um Formen, Farben
und Materialität. Kein Wunder also, dass der Autor vor dem Angeln erst mal einen skulpturalen Grill baut. Essen in Japan bedeutet in jeder Hinsicht eine Erweiterung des kulinarischen Horizonts, gehört zur japanischen Küche doch weit mehr als Sushi und Ramen. Man erfährt zum Beispiel, dass Katsuobushi, das getrocknete Filet vom Bonito-Thunfisch, als das »härteste Lebensmittel der Welt« gilt. Und während Raps hierzulande oft nur zu Öl gepresst wird, beschreibt der Autor, wie sich auch
Knospen und Stiel als Beilage zu grünem Spargel im Frühling verarbeiten lassen. Zum Teriyaki-Fisch empfiehlt er Adlerfarn, zum Gurkensalat Essig-Sojasauce. Und wer im Herbst gegrillten Fisch oder Salzpflaumen mit Reis zu Onigiri formt, hat damit ein typisch japanisches Essen zum Mitnehmen in der Hand. Beim Reiskochen rät Shinroku, Wassermenge und Garzeit individuell der Reissorte, deren Alter, dem zur Verfügung stehenden Herd und sogar dem Topf anzupassen.
Neben der Zubereitung geht es in den kurzen Texten stets auch um die Art, jeder Speise den optimalen Rahmen zu geben: Bei Misosuppe übernimmt das Wan, eine lackierte Schale aus Holz, überzogen mit wertvollem Urishi-Lack. Sehr schöne, oft freigestellte Fotos von Shinroku zeigen anschaulich, wie die Gerichte im Original aussehen. Der 1979 in Tokio geborene Japaner hat übrigens an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart studiert. (...) Petra Mewes