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Susanne Kerckhoff

Susanne Kerckhoff

Die verlorenen Stürme. Berlin: Verlag Das kulturelle Gedächtnis 2021. 232 S., 22 €

Susanne Kerckhoff.

Wie die Nazis aufhalten? Was soll auf unserm Flugblatt stehen? Warum versagen die Eltern? Ist das Bürgertum schuld oder die SPD? Das sind Fragen, die links fühlende 17-Jährige vor und nach der Katastrophe stellen. Eine Klasse von Berliner Primanerinnen und ihre Freunde durchleben »Die verlorenen Stürme« von Susanne Kerckhoff – 1947 erschienen und in der Neuausgabe als »Widerstandsroman« aus jugendlicher Perspektive gelobt. Freilich, der Widerstand beschränkt sich auf Plakatieren im Wahlkampf, ein Scharmützel mit SA-Burschen und Renitenz gegen völkischen Unrat in der Schule. Wichtiger sind die nervösen Debatten der jungen Aktivisten und Aktivistinnen, glatt sortiert von Kommunistin bis Liberaldemokrat. Sie sehen Tod und Verderben kommen, klagen Mitläufer und Gleichgültige an. Die schlechteste (und interessanteste) Figur macht ein Erfolgsschriftsteller, der Parteien und Engagement verabscheut; sein Eskapismus wird am Ende gegeißelt. Das besorgt die Tochter des Autors in der Einsicht, dass Jugend sich radikalisieren muss, damit nicht nur die Rechte radikal ist. Die arglose Schwärmerin Marete wird zur überzeugten Sozialistin. Revolutionäre Arbeitslose und Künstler, Marx-Lektüre, Tucholsky-Lieder stählen ihren Idealismus. Bezeichnend die Szene, in der das vom Vater verbannte Mädchen von einer Tante trotzig den Kauf der »Weltbühne« verlangt – ausgeschlossen für eine gutbürgerliche Familie. So erwartbar sind alle Markierungen in der mit 25 leeren Seiten gestreckten Ausgrabung, die nicht spart an Ausrufezeichen, Pathos und Melodram. Die Dürftigkeit der literarischen Gestaltung ist wohl auch zeittypisch, ebenso das einheitsparteiliche Mantra (»wir mit unseren blauen Hemden«) vom Aufbau des neuen Deutschland. Solche Mode hat sich erledigt. Der ganze expressionistisch behauchte Bildungsroman ist schlecht gealtert. Sven Crefeld


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