Tsitsi Dangarembga
Verleugnen. Aus dem Englischen von Anette Grube. Berlin: Orlanda 2022. 306 S., 24 €
Tsitsi Dangarembga.
Mitte der siebziger Jahre ist die gesellschaftliche Stimmung in der britischen Kronkolonie Südrhodesien angespannt. Tambudzai ist sechzehn Jahre alt, als sie in den Ferien mit ansehen muss, wie ihr Onkel wegen seiner zweifelhaften Einstellung von Dorfbewohnern fast zu Tode geprügelt wird und ihre jüngere Schwester ein Bein verliert. Danach kehrt das Mädchen in die Missionsschule zurück, in der sie als Schwarze Schülerin in der Minderheit ist. Von ihrem Klassenzimmer aus kann man die Berge sehen, das Grenzgebiet zum Nachbarland Mosambik, einem Rückzugsraum der
Rebellen. Mit nahezu übermenschlicher Anstrengung versucht Tambudzai, nicht aus dem Fenster zu sehen und damit alle Gedanken an ihre Schwester, den Guerillakrieg,
ihre Herkunft auszuschließen. Gute, bessere Noten und dabei angepasst und unauffällig bleiben sind ihre einzigen Ziele. Aber auch die besten Noten des Jahrgangs, die kaum zu ertragende Einsamkeit und die Transformation des Landes zur unabhängigen Republik verhelfen ihr nicht zur ersehnten Anerkennung. Im ständigen Kampf gegen die totale Resignation erträgt die Protagonistin dieses Romans Rückschlag um Rückschlag.
Die mehrfach preisgekrönte simbabwische Autorin Tsitsi Dangarembga hat mit dem zweiten Teil ihrer Tambudzai-Trilogie ein Psychogramm der Mehrfachdiskriminierung
geschrieben. Für die unterprivilegierte junge Frau kann es weder in der (post-)kolonialen Welt noch in der patriarchalen Kultur einen sozialen Aufstieg geben. Keine Inseln der Freundschaft und kein familiärer Zusammenhalt wärmen die beklemmende Geschichte.
Überall begegnen Tambudzai nur Ignoranz und Zurückweisung – auch in sich selbst. Dangarembgas scharfer Blick schont weder ihre Hauptfigur noch die Leser und
Leserinnen und macht sie damit zur unverzichtbaren Stimme der Gegenwartsliteratur. Jennifer Ressel