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Uwe Kopf: Die elf Gehirne der Seidenspinnerraupe

Uwe Kopf: Die elf Gehirne der Seidenspinnerraupe

Uwe Kopf: Die elf Gehirne der Seidenspinnerraupe. 320 S.

Es gibt viele Romane über Brüder. Und die meisten erzählen von Konflikten zwischen denen, die ja eigentlich dieselbe Mutter und denselben Vater haben, die sich dann aber dennoch – deshalb gibt es diese Romane – vollkommen unterschiedlich entwickeln. Auch Uwe Kopfs Roman mit dem wunderbaren Titel »Die elf Gehirne der Seidenspinnerraupe« widmet sich diesem Sujet, erzählt aber eine Geschichte, die niemand gerne von seinem Bruder erzählen will: die Geschichte von dessen Selbstmord. So beginnt der Roman – mit dem Ende. Der Protagonist Tom, 40 Jahre alt, gescheiterte Existenz, erhängt sich. Tom, der Roman-Bruder von Uwe Kopf, lebt im Hamburg-Barmbek der 1970er und 1980er Jahre und hat Glück, als er einen Job als Briefsortierer bekommt. Er, der es im Gegensatz zu seinem Bruder lange nicht geschafft hat, auf eigenen Beinen zu stehen, der mehr rumhängt und Dosenbier trinkt und die Musik von Rory Gallagher hört. Irgendwie läuft nichts so richtig. Auch bei den Frauen nicht: Jeder Versuch, eine Beziehung zu führen, scheitert. Bis eines Tages Eva auftaucht. Bei einer Party lernt er die Frau seines Lebens kennen und plötzlich, so scheint es, geht alles ganz leicht. Tom hört auf, Bier zu trinken, und steigt auf Prosecco um, Eva zuliebe. Es ist der Anfang vom Ende dieser Beziehung, die für Tom alles bedeutet und die ihn schließlich dazu führt, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen. Neben dieser tragischen Geschichte eines ambitionslosen, netten und depressiven Bruders spiegelt sich im Roman immer wieder die Situation des »guten Bruders«. Desjenigen, der den Suizid nicht versteht, der ihn aber sein restliches Leben verkraften muss. Die Erzählperspektive wird dann unklar: Es ist nicht mehr Tom, der erzählt, es ist der Bruder, der aber nie deutlich sagt, dass er spricht. Und so schafft es Uwe Kopf, nicht nur vom Leben und Sterben des einen, sondern auch vom Überleben des anderen Bruders mit sprachlicher Präzision und ehrlichem Gefühl zu erzählen. Urs Humpenöder


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