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Ende mit Schrecken

So schnell kanns gehen: Warum es gar nicht so schlimm ist, dass die Sachsen LB jetzt der Landesbank Baden-Württemberg gehört

  Ende mit Schrecken | So schnell kanns gehen: Warum es gar nicht so schlimm ist, dass die Sachsen LB jetzt der Landesbank Baden-Württemberg gehört

Was ist ein Bankraub gegen die Gründung einer Bank? Das fragte der große Dramatiker Brecht einst, einer der großen literarischen Kapitalismuskritiker. Im Sommer 2007 muss die Frage lauten: Was ist ein Bankraub gegen die Quasipleite einer Bank? Auch Peanuts.

Was ist ein Bankraub gegen die Gründung einer Bank? Das fragte der große Dramatiker Brecht einst, einer der großen literarischen Kapitalismuskritiker. Im Sommer 2007 muss die Frage lauten: Was ist ein Bankraub gegen die Quasipleite einer Bank? Auch Peanuts. Mitten in der Urlaubszeit, am Samstag, dem 25. August, kam es zum großen Showdown in der von Baustellen umgebenen Dresdner Staatskanzlei. Die Bautermine waren extra in den Sommer verlegt worden, weil normalerweise dann auch die Dresdner Regierungsgeschäfte etwas geruhsamer vonstattengehen. Nicht so in diesem Sommer. Denn im fernen Amerika braute sich ein großes Gewitter zusammen. Nun könnte man meinen, Amerika sei weit weg, dies gilt aber nicht für die Sachsen LB. Schon am 10. August rieben sich die Leser der Frankfurter Allgemeinen verwundert die Augen, als klar wurde, dass die kleine Sachsen LB auf dem Markt der verbrieften Hypothekenkredite ein ganz großes Rad dreht. Darauf reagierte die Bank erst mal ganz gelassen. Nein, es gebe keine Probleme, man habe nur erstklassige Wertpapiere gekauft. Zweifel blieben. Nur eine Woche später brannte es lichterloh. In einer hektischen Rettungsaktion musste der öffentliche Bankensektor am Wochenende 18./19. August eine Kreditlinie von 17,3 Milliarden € stemmen, um die Pleite abzuwenden. Halten wir mal kurz inne: 17,3 Milliarden, mehr als ein Landeshaushalt des Freistaates! Das Aufatmen war sehr kurz. Schon in der Woche drauf taten sich neue Löcher auf, nichts ging mehr. Denn die Bank hatte mehrere sogenannte Zweckgesellschaften gegründet und ein von diesen betriebener Fonds musste geschlossen werden. Die 350 Millionen € Eigenkapital wurden fällig, die Sachsen LB hätte einspringen müssen, konnte aber nicht mehr. Das war die Lage, die die Staatsregierung an ebenjenem 25. August dazu zwang, die Landesbank quasi per Notverordnung über Nacht zu verkaufen. Sie war so dramatisch, dass der Paragraf 65 der Sächsischen Haushaltsordnung, der den Verkauf staatlicher Anteile an Unternehmen ohne Zustimmung des Landtages verbietet – »soweit nicht aus zwingenden Gründen eine Ausnahme geboten ist« -, zur Anwendung kam. Gefahr war im Verzug. Am 26. August, einem Sonntag, war dann schon alles erledigt. Die Sachsen LB war zur Filiale der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) geworden. Sogar die Fraktionsführer der Opposition wurden zur Verkündung der traurigen Tatsachen von Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) in die Staatskanzlei geladen. Allerdings erst, nachdem der Koalitionspartner SPD darauf gedrängt hatte. Einen solchen Fall konnte sich offenbar niemand vorstellen. Die Sachsen LB traf die Entwicklung an den Märkten zur Verbriefung von Hypothekenkrediten (siehe Seite 31 unten) mit voller Wucht. Auch die Düsseldorfer IKB im Juli und zuletzt die britische Northern Rock kamen vor allem dadurch in Bedrängnis. Sie werden nicht die Letzten bleiben, aber das ist kein Trost. Andere Landesbanken sind bei diesen Geschäften ebenfalls dabei, aber in geringerem Maße und bei wesentlich größeren Bilanzsummen, womit sie derlei Engagements besser verkraften können. Da war das Jammern groß. Die sächsischen Kämmerer trauern den schon fest eingeplanten Millionen hinterher, brave Lokalpolitiker empören sich über ihrer Ansicht nach unfähige Banker, und der Stinkstiefel der SPD, Karl Nolle, der sich gern als Chefaufklärer geriert, blubberte seine Empörung in jedes ihm entgegenkommende Mikrofon. Dabei hätte er nur mal seine Genossen im Verwaltungsrat fragen müssen. Denn dort saßen alle großen Parteien und segneten auch diese Geschäfte ab. Lauter honorige Provinzler, die keine Fragen stellten, sondern sich über die Gewinne freuten. Kaum eine Partei kann sich da ausnehmen, deswegen ist die Empörung eine Farce. Es lief ja jahrelang so gut, denn die Gewinne der Bank kamen weniger aus Sachsen, sondern meist aus Irland. Das lag nicht an der Liebe zu James Joyce und wahrscheinlich auch nicht am guten Guinness, nein. In Irland gibt es keine Gewerbesteuer – deswegen zieht das Geld so gern nach Dublin. Schon von Anfang an stand die Sachsen LB unter keinem guten Stern. 1992 von Kurt Biedenkopf und seinem damaligen Finanzminister Milbradt gegründet, war ziemlich schnell klar, dass Sachsen zu klein ist für eine Bank dieses Zuschnitts. Vorher hatten die Sachsen versucht, mit den anderen ostdeutschen Ländern eine große Landesbank für den Osten zu formen, was scheiterte, da sich die meisten Ostländer Hilfe von westdeutschen Landesbanken holten. Kurt Biedenkopf wollte die Geschäfte aber lieber selbst machen. Ein stolzer König in einem noch stolzeren Königreich. Im Grunde von Anfang an eine absurde Idee. Die Jahre danach suchte die Sachsen LB ihre Rolle, fiel in der Öffentlichkeit aber vor allem durch unsägliche Skandale und Personalquerelen auf. Schlechte Geschäfte kamen hinzu. Ein Untersuchungsausschuss dazu tagt noch immer. Klar wurde dort bisher immerhin, wer mit wem in der Bank schlief – für Außenstehende ein erstrangiges Schmierentheater. Die Bank beschäftigte sich vor allem mit sich selbst, ständig wechselte das Führungspersonal. Was sind da schon ein paar Milliarden in Dublin? Der heutige Ministerpräsident Milbradt war von Anfang an dabei, die Bank ist sein Baby. Vor allem für ihn ist das Desaster ein Problem. Was bleibt unterm Strich? Nach 15 Jahren Geschäftsbetrieb und einem Eigenkapital von 1,5 Milliarden € ist der Laden noch ein Fünftel wert; wenn es gut geht, in diesem Herbst etwas mehr, aber keinesfalls eine Miliarde. Ein ernüchterndes Ergebnis! Für die Bank selbst kann es eigentlich nur besser werden. Die Schwaben wollen von Leipzig aus die boomen-den osteuropäi-schen Märkte bedienen, das ist gut für die Mitarbeiter (denn sie dürfen bleiben) und damit gut für die Stadt Leipzig. Für die sächsischen Sparkassen wird es leichter, Großkredite zu organisieren, dem die LBBW ist ungleich größer als die Sachsen LB (470 Milliarden € Bilanzsumme gegenüber 68 Milliarden bei der Sachsen LB). Für die Bürger des Freistaats kann es natürlich noch ein Problem werden, falls die tatsächlich eintretenden Verluste so hoch werden, dass die Baden-Württemberger vom Kauf zurücktreten oder einen Teil der Schulden auf den Staat abwälzen – also auf uns alle. Dann griffe das alte Mus-ter – Verluste sozialisieren, Gewinne privatisieren. Die Stadt Leipzig macht es mit den Stadtwerken gerade vor. Wobei die LBBW keine Privatbank ist, sondern eben auch eine Landesbank. Eigentlich müssen die Sachsen froh sein, dass sie überhaupt noch etwas für diesen maroden Laden kriegen – die Schwaben sind hier großzügiger als ihr Ruf. Ein Problem ist das Bankdesaster eigentlich nur für die Politikerkaste, der ein schönes Spielzeug weggenommen wird. Die Öffentlichkeit aber kann aufatmen, denn hier gilt wirklich: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.


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