»Ihr braucht nicht zum Kämpfen kommen, (...) Spenden sind nicht nötig, und wir wollen auch keine Waffen. Ihr müsst nur für uns tanzen. Unseren traditionellen Tanz, den Svaboda Samoverzjenja«, sagt Anna in einem der Videos, die sie aus ihrem Dorf mitten im Krieg an ihre digitale Fangemeinde schickt. Die Videos sind ein Hype. Viele tanzten auch tatsächlich diesen
rituellen Tanz, der die zu früh Verstorbenen aus dem Dazwischen zurück ins Leben holen kann, den Tanz gegen das Böse.
Auch in ihrem zweiten Roman, dessen Titel das Computerspiel »Dance, dance, Revolution« zitiert, vermischt Lisa Weeda Fantastisches mit Realem, wühlt im Mythologischen und erzählt mit Wucht von Grauen und Gleichgültigkeit. Der Krieg in Besulia, einem kleinen, wenig bekannten Land, ist seit zweieinhalb Jahren vorbei, doch immer noch tauchen plötzlich Leichen
der Kriegsopfer mitten in der heilen Welt auf, in Badezimmern, Betten, Büros der Start-ups, in Ateliers. Manche Menschen schaffen es, sie durch das Tanzen zum Leben zu erwecken. Doch die meisten werden vom Body-drop-off-Service abgeholt. Hier arbeitet auch Toni, deren Geschichte den Roman rahmt.
Sie selbst kam vor vielen Jahren ebenfalls aus einem Kriegsgebiet, aus Upasi, einem Nachbarland von Besulia, und als Immer-noch-Fremde hat sie eben diesen wenig lukrativen Job. In den drei Kapiteln dazwischen reisen wir mit unterschiedlichen Protagonistinnen in der Zeit zurück, bis zum Ausbruch des Krieges. Die Orte sind fiktiv, die Parallelen eindeutig. Der Tanz ist die Bewegung, zu der alle in der Lage sind, die universelle Sprache der Körper. Tanzen heißt hinschauen und aufbegehren, solange wir tanzen, gibt es noch Hoffnung. Weeda ist auch diesmal ein Roman gelungen, der packt, aufrüttelt und lange nicht loslässt. Martina Lisa