anzeige
anzeige
Kultur

Wir sind Leipzig

  Wir sind Leipzig |

Sie sitzen mit dem Laptop im Café – so weit das Klischee. Man nannte sie die »digitale Bohème« oder das »moderne Prekariat«. Inzwischen erobern sie Amtsstuben, Politikerköpfe, wissenschaftliche Kongresse und ganze Städte. Die »kreative Klasse« ist zum Wirtschaftsfaktor geworden. Welche Chancen die »Creative Industries« für Leipzig bedeuten, zeigt Claudius Nießen

Sie sitzen mit dem Laptop im Café – so weit das Klischee. Man nannte sie die »digitale Bohème« oder das »moderne Prekariat«. Inzwischen erobern sie Amtsstuben, Politikerköpfe, wissenschaftliche Kongresse und ganze Städte. Die »kreative Klasse« ist zum Wirtschaftsfaktor geworden. Welche Chancen die »Creative Industries« für Leipzig bedeuten, zeigt Claudius Nießen

Jan Hartmann ist einer von vielen. Und das ist nicht abwertend gemeint. Im Gegenteil, das ist sogar ziemlich wichtig. Für diese Geschichte, für Leipzig. Gemeinsam mit Andreas Neubert hat Hartmann vor drei Jahren die Designers' Open ins Leben gerufen – ein Festival für Design, ein Forum für die Branche. Eine Möglichkeit, schöne Dinge auch direkt zu kaufen. In Leipzig. Und natürlich ist Jan Hartmann nicht nur Veranstalter der Designers' Open, sondern in erster Linie selbst Designer. Der heute 33-Jährige kam vor viereinhalb Jahren in die Stadt. »Da geht was«, war sein Grundgefühl. In Leipzig angekommen, wollte er bald zeigen, was in der Stadt alles geht – in Sachen Design. Ein Sprachrohr sollte her, wo vorher nicht viel mehr war als Mundpropaganda. Die Designers' Open waren geboren. Ich bin da, die Konkurrenz ist da – »und jeder profitiert vom Gegenüber und Nebenan der anderen«, sagt Hartmann. So funktionieren die Designers' Open und folgen damit einem Ur-Leipziger Prinzip: dem Prinzip »Messe«. Vom Gegenüber und Nebenan der vielen Kreativen wiederum profitiert Leipzig. Und Projekte gibt es in Leipzig fast noch mehr als Kneipen auf der Karli. Da gibt es feste Größen wie das Kunst-Mekka Spinnerei und die Musikmesse (Pop Up, den Hörspielsommer, das aufstrebende Stadtteilfest »Westbesuch« oder das noch junge Fotografie-Festival F/STOP; daneben locken ungezählte Reihen, Shows und Abendprogramme in den Clubs und Kultur-häusern von naTo bis Schaubühne Lindenfels. Von Festival-Dauerbrennern wie DOK Leipzig, »Leipzig liest« oder den Leipziger Jazztagen ganz zu schweigen – das kreative Potenzial dieser Stadt erschöpft sich mitnichten in dieser kurzen Aufzählung.

DesignersÒpen-Gründer Hartmann, Neubert
Knapp 30.000 Leipziger arbeiten momentan in der Kreativwirtschaft, darunter 8.000 Selbstständige und Unternehmer; weitere 10.000 sind in der kreativen Wissensökonomie (Forschung und Entwicklung, Universität, Finanzwesen) beschäftigt. Zusammen ist das ein Sechstel aller Leipziger Beschäftigten. 2005 haben Leipzigs Kreative insgesamt 3,98 Milliarden Euro umgesetzt. »Die Zeiten, in denen es immer hieß, Kreative, Agenturen, sogenannte Entscheider sitzen nur in Berlin oder München, sind vorbei«, meint Michael Eckhardt, der unter anderem das Kinomagazin Player herausgibt. Aber weder die Vielzahl erfolgreicher Projekte noch die beeindruckenden Zahlen können darüber hinwegtäuschen, dass der Arbeitsalltag für die meis-ten Kreativen ziemlich rau aussieht. Viele hangeln sich von Projekt zu Projekt, erledigen zwischendrin kleine Jobs, ergattern einen Zeitvertrag oder müssen Sozialleistungen beanspruchen. Andere liegen mit Anfang oder Mitte dreißig noch immer ihren Eltern auf der Tasche. Niemand führt Buch über die gescheiterten Projekte und geplatzten Ideen. Reich werden die wenigsten. Ein Auskommen haben die meisten dennoch.

Hinzu kommt, dass viele Kulturschaffende Probleme damit haben, sich plötzlich als Teil eines Wirtschaftszweiges zu begreifen. »Die meisten Künstler und Geisteswissenschaftler sind nach wie vor der Meinung, dass Wirtschaft vor allem damit zu tun hat, seine Seele zu verkaufen«, sagt Lukasz Gadowski, Gründer der Firma Spreadshirt. Immer noch herrscht die Auffassung vor, dass mit Kunst und Kultur Sinn vermittelt und Werte gesetzt werden – jenseits irgendwelcher Märkte. Entsprechend unterentwickelt ist bei vielen das unternehmerische Grundwissen. Nur: Ohne Markt kein Mampf. Die digitale Bohème ist nur ein Teil der Kreativwirtschaft. Auch ein Michael Kölmel mit seiner Kinowelt oder die Filmproduzenten von Saxonia Media gehören dazu. Die sind es doch, die Arbeitsplätze schaffen und Gewerbesteuern zahlen. Oder? Ja doch, und trotzdem sind es die vielen »kleinen Krauter«, Künstler, Agenturen und wer sonst noch alles dazugehört, die in den Creative Industries die Erste Geige spielen. Die großen Firmen sind auf diesem Gebiet – nicht nur in Leipzig – eher die Ausnahme von der Regel. Unternehmen mit tausend Beschäftigten – das war einmal. Heute sind es vielmehr tausend Unternehmen mit einem Beschäftigten. »Die Kreativwirtschaft ist da ein Vorreiter. Das wird sich mittelfristig auch in anderen Branchen – zum Beispiel dem Sozialbereich – so entwickeln«, sagt Bastian Lange. Der 37-Jährige erforscht in einem europäischen Verbundprojekt am Leibniz-Institut für Länderkunde die wirtschaftlichen Potenziale der »kreativen Klasse« in Leipzig. Lange prophezeit: »Die Selbstständigkeit nimmt zu, der Staat zieht sich zurück, oder er müsste seine Haltungen und Aufgaben neu definieren.«

Rund drei Viertel der Kreativunternehmen sind Selbstständige und Freiberufler, auch in Leipzig. Niemand hat sie gebeten herzukommen. Niemand hat gesagt, Leipzig will dich. Und doch sind sie hier. Erkannt hat die Stadt diese Chance noch nicht.

»An jedem Standort in Deutschland haben Sie inzwischen eine gute Infrastruktur. Schnelles Internet und einen Autobahnanschluss finden Sie überall. Kreativität ist für unsere Unternehmen ein wichtiger Standortfaktor, und den gibt es eben nicht an jeder Ecke«, sagt Klaus Wurpts, Geschäftsführer der Wirtschaftsinitiative Mitteldeutschland. »Leipzig ist offen. Diese Liberalität, dieses diffuse Gefühl, dass man hier etwas bewegen kann – das ist der Schlüssel.« Wurpts wird auch selbst aktiv: Im November organisiert seine Wirtschaftsinitiative in Erfurt eine Zukunftskonferenz. Das Thema Kreativität als Standortfaktor wird dabei eine zentrale Rolle spielen.

»Bei den Top-Absolventen gibt es in den letzten zwei Jahren eine klare Trendwende: Die Lebensqualität hat bei der Suche nach dem Arbeitsplatz das Kriterium Arbeitgeber als entscheidenden Faktor abgelöst. Die Leute suchen sich eine Stadt, in der sie leben wollen«, sagt Wurpts. Das gebe bei den Jungen den Ausschlag, um die Umzugskartons zu packen. Für Leipzig sei es eine Riesenchance, die die Stadt noch stärker nutzen müsse als bisher. Man kann hier gut leben, und deshalb kommen die Leute? Ist das nicht wieder so eine romantische Träumerei von Leuten, die erstens nicht wissen, was Zahlen sind, und zweitens keine Ahnung haben, wie Wirtschaft funktioniert? Gehen die Menschen nicht vielmehr dahin, wo Arbeit ist? Natürlich. Aber die Kreativen schaffen sich ihre Arbeit vor allem selbst.

»Da sind Arbeitsplatzpotenziale« »Mein Gott«, werden die einen jetzt sagen und mit den Augen rollen, »Kreative – das klingt nach Töpfern in der Toskana.« Und die anderen werden sagen: »Hört uns auf mit Kultur, die kostet doch bloß.« Früher war das noch anders, da hieß es: »Das leisten wir uns«, wenn es um Kultur ging. »Kultur ist aber kein Kostenfaktor, sondern ein Erlösfaktor«, meint dagegen Jörn-Heinrich Tobaben, bis vor kurzem Geschäftsführer der Leipziger Bio-City. Mit wirtschaftlichem Wachstum, neuen Ideen und jungen Machern kennt er sich aus: »Leipzig muss die junge Kultur wirtschaftsfördernd nutzen. Da sind ganz klare Arbeitsplatzpotenziale.« Schon erstaunlich: Die Fürsprecher für Kreativität und Kultur kommen neuerdings auch aus der Wirtschaft.

Vielleicht ja, weil sie auf die Arbeitskraft der Kreativen angewiesen sind – und sei es auch nur indirekt. »Je offener, toleranter und kulturell vielfältiger ein Standort, desto attraktiver ist er für die mobile, globale kreative Klasse«, sagt Bastian Lange, der Forscher. »Kreative Klasse« – das meint hier nichts anderes als junge, motivierte, dynamische Akademiker. Das sind genau die, die Leipzig braucht. Denn die »kreative Klasse« ist entscheidend für eine lebendige Stadt – was jüngst den Spiegel zu einer Titelgeschichte veranlasste (»Was Städte sexy macht«).

Sogar im Rathaus finden die Kreativen Unter-stützung: Susanne Kucharski-Huniat leitet das Kulturamt, Brigitte Brück ist in der Wirtschaftsförderung zuständig für die schöne Mischung aus Messe, Medien und Logistik – zusammen könnten beide ein starkes Tandem für die Kreativwirtschaft bilden. Ihr Ziel: ein Kulturwirtschaftsbericht für Leipzig. »Wir wollen für die Stadt darstellen, was Kultur bringt, wie viel Arbeit sie geschaffen hat, welche Bereiche davon profitieren und welches Potenzial wir noch haben«, erklärt die Kulturamtschefin.

»Kampf um die Jugend« Eigentlich hatte es die Rathausspitze schon vor Jahren erkannt: »Wenn ein Grundgefühl da ist, hier geht was, dann kommen die Menschen.« Das jedenfalls sagte Burkhard Jung 2005 dem KREUZER, da war er noch Dezernent für Jugend, Schule, Sport und Soziales. Damals galt das Schlagwort von der »strategischen Kommunalpolitik«. Ein Schlüssel in dieser Strategie war die »junge Stadt« – zumindest auf dem Papier. Rat holte sich OBM Tiefensee seinerzeit bei einem extra einberufenen Sachverständigenforum aus 15 Bürgern, die ihm Empfehlungen für Leipzig vorlegen sollten.

Die beiden wichtigsten lauteten: Junge Leute in die Stadt holen und Arbeitsplätze schaffen. Sie finden sich auch im umstrittenen Kulturentwicklungsplan, sind aber in der emotionalen Debatte um das leidige Kultur-Ranking schlicht untergegangen. Den »Kampf um die Jugend« hatte sich Jung schon im Juni 2005 auf die Fahnen geschrieben, um im zunehmenden Wettbewerb der Städte um Bürger und Arbeitsplätze bestehen zu können. Bislang aber tut sich die Stadtpolitik schwer, den kreativen Gründerhaufen als stimulierenden Faktor für die regionale Wirtschaft zu erkennen. Fünf sogenannte Cluster hat Leipzig zurzeit als wichtige Wirtschaftsbereiche ausgemacht. Dazu gehört natürlich die Automobil- und Zulieferindustrie, die dank BMW und Porsche nicht zu übersehen ist. Auch ein kleiner Teil der Kreativwirtschaft, der Bereich Medien- und Kommunikationstechnik (IT), ist darunter erfasst.

Das kreative »große Ganze« hat man hingegen noch nicht im Blick. Dabei ist die Kultur- und Kreativwirtschaft für Leipzig eine Chance im Strukturwandel. Ein riesiger Aktivpos-ten, der deutlich über das bloße Auffangen von Schrumpfung oder den Wegfall ganzer Industriezweige hinausgeht.

»Hauptstadt der Potenziale« Und Leipzig sollte sich sputen: Längst reißt sich halb Europa um die begehrte Klientel. Stadtplaner und Wirtschaftsförderer versuchen überall, die Kreativen zu binden. »Leipzig muss aufpassen, beim Kampf der Kommunen um die Kreativbranche nicht den Anschluss zu verlieren«, warnt Jana Wetzlich vom (Pop Up-Team. Wenn die Wirtschaftspolitik dieser Stadt ihr Credo ernst nimmt, die »Stärken stärken« zu wollen, dann darf sie auf dem kreativen Auge nicht blind bleiben.

2005 war für Leipzig nicht nur das Jahr der »strategischen Kommunalpolitik«. Es war auch das Jahr, in dem McKinsey eine Studie mit dem schönen Titel »Perspektive Deutschland« herausbrachte. Darin ging es um die Frage, in welcher Stadt man in fünf bis zehn Jahren wohl am besten leben könne. Leipzig landete auf Platz vier. Tiefensee machte daraus »die Hauptstadt der Potenziale«.

Leider fehlt noch allenthalben das Bewusstsein für diese Potenziale, zumindest in Sachen Kreativwirtschaft. Das hat Folgen: Denn es kommen ja nicht nur neue Köpfe in die Stadt – viele, die bereits hier sind, gehen auch wieder weg. Rund ein Drittel der jährlich 1.500 Absolventen der Universität Leipzig sind Geistes- und Sozialwissenschaftler. Insgesamt büffelt die Hälfte der rund 31.000 Uni-Studenten geisteswissenschaftliche Fächer. Mehr als genug kreatives Potenzial, möchte man meinen – und dabei sind die Künstler der HGB, die Schauspielstudenten und angehenden Musiker noch nicht mal mitgerechnet. »Die besten Arbeitnehmer«, kann man in der jüngsten Ausgabe des Wirtschaftsmagazin brandeins nachlesen, »sind keine.« Sie machen sich selbstständig. Diese Idee müsste man auch dem riesigen kreativen Pool aus Künstlern, Musikern, Schauspielern und Geisteswissenschaftlern vermitteln. Schon im Studium.

Kreativitätsforscher Lange
»Ich gehe nach Berlin« Denn die meisten von ihnen finden danach in Leipzig keine Festanstellung. Wer braucht schon Geisteswissenschaftler? Also gehen sie weg, statt sich hier eine Existenz aufzubauen. Dafür wäre die Kulturwirtschaft ideal – dort haben im Vergleich zur Gesamtwirtschaft fast doppelt so viele Beschäftigte einen Hochschulabschluss. Hier geht es also um die Art Arbeitsplätze, die in Politikerreden den Standort Deutschland nachhaltig sichern sollen. Außer dem Kulturwirtschaftsbericht gibt es bislang wenig Ideen, wie Leipzig die Kreativen unterstützen und so an sich binden kann. Solange das so bleibt, heißt die Alternative weiterhin: »Ich gehe nach Berlin« – oder gleich in den Westen, nachdem man zuvor in Sachsen teuer ausgebildet wurde.

Sieben Ideen für Leipzig Konkrete Lösungsansätze müssen her. Einige kann man sich anderswo abschauen, die meisten müssen speziell für Leipzig erfunden werden:

• Wenn Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht (CDU) über neue Cluster für Leipzig nachdenkt, dann bitte über die Spielebranche hinaus. Medien und Games sind nur zwei von mehreren Bereichen, die in einem großen Cluster »Creative Industries« aufgehen könnten.

• Eine Anschubfinanzierung von der Stadt für Projekte mit Potenzial – nicht von klein auf und nicht für immer. Die Verwaltung muss erkennen, welche von sich aus auf die Beine gekommen sind und nun einen Schub brauchen, um auf die nächste Stufe zu gelangen. Beispiele: (Pop Up, Designers' Open.

• Die Universität muss stärker mit dem Pfund der Geisteswissenschaften wuchern. Für alle Leipziger Hochschulen gilt: Die Vermittlung von Selbstständigkeit und unternehmerischem Handeln muss stärker fokussiert werden!

• Mit einem eigenen Institut für Kreativwirtschaft könnte Leipzig selbst zum Kompetenzzentrum auf diesem Sektor werden. Es könnte die Hochschulen in der Lehre unterstützen und gleichzeitig einen Forschungsschwerpunkt zum Thema »Creative Industries« entwickeln. Ein drittes Standbein wäre die Beratung und das Coaching junger Kreativunternehmen. Das könnte mittelfristig sogar Geld einbringen.

• Leipzig muss internationaler werden. Der interkulturelle Austausch ist noch unterentwickelt. Gerade er aber befördert die Kreativität.

• Eine zentrale Anlaufstelle in Sachen Kreativwirtschaft muss her. Als Vorbild könnte Mannheim dienen, wo sich die Stadt einen Popkulturbeauftragten leistet.

• Initiativen und Projekte müssen sich verorten (Beispiel: ein Designzentrum), die Stadt kann bei der Immobiliensuche helfen.

Ein Leviathan der Kreativität Wenn diese Maßnahmen greifen, entsteht ein kreatives Milieu, ein Zentrum voll Wissen, Kreativität und Kompetenz. Dieses Zentrum wirkt wie ein Magnet, der neue Kreative anzieht. Ein Ameisenhaufen. Ein Leviathan der Kreativität. Weil man auch untereinander vernetzt ist, je nach Projekt die unterschiedlichsten Leute zusammen an einer Sache arbeiten (und verdienen), entstehen regionale Wertschöpfungsketten. Das Geld bleibt im Dorf. So entsteht organisches, nachhaltiges Wachstum. Es sind ohnehin nicht die Mega-Metropolen dieser Welt, die Experten zufolge am stärksten vom Boom der Creative Industries profitieren werden. Es sind vielmehr die second cities – Städte irgendwo zwischen einer halben und einer Million Einwohnern. Städte wie Dublin, Tallinn oder eben Leipzig. Sie bieten den idealen Nährboden für diese Industrie der »kleinen Krauter«, der vielen Selbstständigen und Ein-Mann-Unternehmen.

Leipzig lebt auch von den kurzen Wegen. Damit ist nicht nur das kompakte Stadtzentrum gemeint. Man hat als Kreativer hier einen anderen Stellenwert als in Berlin, ist mehr als nur ein kleines Körnchen im großen Getriebe. In Leipzig lassen sich Netzwerke schneller knüpfen, Erfolge treten schneller ein. Dezentralität als Chance. Mit diesen Pfunden müsste die Stadt stärker wuchern. Noch schaut sie eher in den Rückspiegel. Ihre Außenwirkung ziele vor allem auf Touristen jenseits der 50 ab, kritisiert der Kreativitäts-Forscher Bastian Lange. »Momentan sind wir weitgehend im 18. Jahrhundert hängen geblieben. Aber Stadtmarketing kann ja nicht allein heißen, wir ziehen kaufkräftige Touristen.« Lange rät daher, »städtische Identitäten und deren Images an mehrere Generationslagen zu knüpfen« – und meint damit, dass der Bogen zwischen der Tradition und der jungen, dynamischen Stadt, die sich daraus entwickeln kann, gespannt werden muss.

Vor zwei Jahren hat die EU-Kommission eine Studie in Auftrag gegeben, die das »Stigma des Scheiterns« untersuchen sollte. Dahinter steckt der Gedanke, dass nicht nur Insolvenzen – also das Scheitern von Unternehmen – wirtschaftlich problematisch sind.

Viel gefährlicher ist das große Nichtstun. Die Angst zu scheitern. Die Starre derer, die vor lauter Angst vor dem Scheitern gar nicht erst anfangen mit der Selbstständigkeit. Dabei bietet heute auch ein Angestelltenverhältnis keine lebenslange Sicherheit mehr. Es bleibt nur, der Angst etwas entgegenzusetzen. Mehr Mut!


Kommentieren


0 Kommentar(e)