Sebastian Weber läuft über den Platz vor der Parkarena in Neukieritzsch. Gleich tagt hier am späten Mittwochnachmittag der Kreistag des Landkreises Leipzig. Er wird unter anderem über Finanzhilfen für die Klinik in Wurzen entscheiden, für deren Erhalt Hunderte vor dem Kreistag demonstrieren. Weber filmt und streamt die Demo live auf seinem Kanal »Weichreite TV«. »Das wird eine sehr interessante Kreistagssitzung«, kommentiert er, »das habe ich noch nicht erlebt«. In Erinnerung dürfte ihm die Sitzung auch wegen eines anderen Tagesordnungspunkts bleiben.
Denn Weber sitzt für die AfD im Kreistag und wollte eigentlich auf Vorschlag seiner Fraktion hin in den Jugendhilfeausschuss gewählt werden. Dass daraus nichts wird, erfuhr er »erst kurz vor der Kreistagssitzung«, schreibt er dem kreuzer. Dabei war die Sache schon am Vortag klar: Weil die AfD einen ihrer Kreisräte ausgeschlossen hatte, verlor sie einen Sitz in besagtem Ausschuss. Die Fraktion ist damit nicht mehr groß genug, um wie bisher zwei Plätze zu beanspruchen. Der Ausgeschlossene ist Sven Großer, der bereits im April 2021 wegen Volksverhetzung angezeigt wurde. Er hatte auf Telegram einen Beitrag geteilt, in dem der Holocaust als Lüge bezeichnet wurde.
Jetzt verhinderte sein Ausscheiden aus der Fraktion, dass Sebastian Weber vom Stellvertreter zum ordentlichen Mitglied im Jugendhilfeausschuss aufsteigen konnte. Stattdessen durften die Grünen vorschlagen, wer den freien Platz im Ausschuss besetzen soll. Die Wahl fiel auf Diane Apitz. »Natürlich freuen wir uns darüber, diesen Platz bekommen zu haben«, sagt sie dem kreuzer. Bisher waren die Grünen nicht im Ausschuss vertreten. Apitz habe ihn trotzdem davor schon besucht, »einfach weil es so ein wichtiges Thema ist«. Sie wolle sich unter anderem dafür einsetzen, dass das frisch beschlossene Konzept zur Jugendbeteiligung zügig umgesetzt wird.
Für mehr Freiräume und Mitbestimmung von Jugendlichen zu sein, dafür sei die AfD gerade nicht bekannt, sagt Steven Hummel von chronik.LE. Das Projekt dokumentiert rassistische und diskriminierende Vorfälle in Leipzig und Umgebung, und warnte bereits Anfang der Woche vor Sebastian Weber, als dessen Wahl in den Jugendhilfeausschuss noch wahrscheinlich war. Weber biete auf seinem Kanal immer wieder Rechtsextremen eine Plattform – etwa dem bekannten Holocaustleugner Nikolai Nerling. Er sei deshalb ein »denkbar ungeeigneter Kandidat« und seine Wahl besonders für nicht-rechte Jugendliche »ein fatales Signal«. Damit konfrontiert sagt Weber, was wohl viele AfD-Politiker sagen würden: Er und die AfD seien »weit entfernt von Rechtsextremismus«.
Was Weber von anderen AfD-Kreisräten unterscheide, sei seine Bühne, sagt Steven Hummel: »Er erreicht so eine große Personenzahl, die ein normaler AfD-Abgeordneter nicht hätte.« Mehr als 14.000 Abonnements zählt »Weichreite TV« auf YouTube. Mit Webers Medienaktivität war deshalb eine weitere Sorge verknüpft: Dass vertrauliche Informationen aus den Ausschusssitzungen, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht sind, nach außen getragen werden könnten. Diese Sorge ist nun fürs Erste zerstreut – weil die AfD sich selbst im Weg stand.
Foto: Landratsamt Leipzig