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Kein geschützter Beruf

In Deutschland gibt es keine amtlichen Presseausweise – was zu Missbrauch führt 

  Kein geschützter Beruf | In Deutschland gibt es keine amtlichen Presseausweise – was zu Missbrauch führt   Foto: DJV

Journalist oder Journalistin darf sich in Deutschland jeder und jede nennen. »Die Berufsbezeichnung Journalist und der Zugang zum Beruf sind in Deutschland nicht geschützt oder reguliert – aus gutem Grund. Aus unserer Sicht sollte es hier auch keinen restriktiven Zugang geben«, sagt Lars Radau, Geschäftsführer des sächsischen Landesverbands des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Der Grund, auf den Radau hinweist, ist historischen Ursprungs: Zum Aufbau ihres totalitären Staatsapparates nahmen die Nationalsozialisten eine »Gleichschaltung« der Medien vor. Wer im Journalismus arbeiten wollte, musste ab 1933 der sogenannten »Pressekammer« beitreten. Mitglied konnte nur werden, wer über das Regime unkritisch berichtete. Berichterstattung, die nicht im Sinne der Nationalsozialisten war, wurde mit Ausschluss aus der Kammer und Berufsverbot bestraft, unliebsame Medienschaffende wurden teilweise auch verfolgt und ermordet.  

Aus diesen Erfahrungen zog die junge Bundesrepublik ihre Konsequenzen: Fortan war die Tätigkeit im Journalismus nicht mehr an die Mitgliedschaft in einer Kammer geknüpft, wie es etwa bei Anwälten oder Architektinnen der Fall ist. Dennoch gibt es einen Weg, sich als Medienschaffender auszuweisen. Gemeinsam mit der Innenministerkonferenz schloss der Deutsche Presserat 2016 eine Vereinbarung über die Ausstellung des bundeseinheitlichen Presseausweises. Seit 2018 stellen sechs Verbände diesen Presseausweis aus, neben dem DJV auch der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (DJU), der Medienverband der freien Presse (MVFP), der Berufsverband der Fotojournalist:innen und Fotograf:innen (Freelens) und der Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS). 

Das Geschäft mit dem Presseausweis

»Wir als Verband prüfen vor der Ausgabe von Presseausweisen, ob Personen tatsächlich hauptberuflich als Journalisten tätig sind oder nach journalistischen Kriterien arbeiten«, sagt Radau vom DJV. »Das nehmen wir ernst – und so ist der Ausweis ein Angebot und ein Indiz dafür, es mit seriösen Kolleg:innen zu tun zu haben.« Der bundeseinheitliche Presseausweis erleichtert es Medienschaffenden unter anderem, Informationen von Behörden oder Zugang zu gesperrten Bereichen zu erlangen, etwa auf Demonstrationen. 

Allerdings handelt es sich beim Bundespresseausweis um kein amtliches Dokument, auch andere Verbände oder Organisationen können Presseausweise ausstellen. Daraus hat sich ein richtiges Geschäftsfeld entwickelt. So ergab eine Recherche von Zeit online 2019, dass alle Anbieter von angeblichen Presseausweisen zu drei Kapitalgesellschaften gehören. Eine davon, der Deutsche Verband der Pressejournalisten (DVPJ), gibt sich als Interessenvertretung für Journalistinnen und Journalisten aus, tatsächlich handelt es sich aber um eine Aktiengesellschaft, bei der man nicht Mitglied werden kann. Ein Presseausweis beim DVPJ kostet zwischen 97 und 117 Euro, hinzu kommen die Gebühren für einen Nutzungsbeitrag.  

Nadine Franke, Pressesprecherin des sächsischen Innenministeriums (SMI) teilt auf kreuzer-Anfrage mit, dass zur Beurteilung der journalistischen Tätigkeit der bundeseinheitliche Presseausweis zwar gut geeignet sei: »Hieraus folgt allerdings nicht, dass Inhaber anderer Presseausweise oder Personen, die auf andere Weise ihre journalistische Tätigkeit nachweisen, nicht als Journalisten anerkannt werden können.« 

Polizei entscheidet im Einzelfall über Gültigkeit von Presseausweisen

Seit Jahren ist der Umgang mit nicht-bundeseinheitlichen Presseausweisen Thema bei der Innenministerkonferenz – zum aktuellen Stand der Diskussion wollte das SMI auf kreuzer-Anfrage keine Aussage treffen: »Wenn Sie mich fragen, ob ich optimistisch bin, dass es da auf Bundesebene eine Lösung gibt, dann sage ich nein«, sagt Lars Radau. »Als DJV sind wir aber weit davon entfernt zu sagen, wir brauchen einen amtlich geregelten Zugang zum Beruf des Journalisten.« 

Laut SMI-Sprecherin Franke ist nicht jeder Presseausweis geeignet, um sich glaubhaft als Medienschaffender auszuweisen. Franke verweist auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bautzen von 2017: Demnach urteilte das Gericht, dass ein Presseausweis, der »praktisch jedermann ohne inhaltliche Prüfung gegen eine kostenpflichtige Mitgliedschaft in einem Verband« erteilt worden sei, nicht von Belang sei. Beamtinnen und Beamte der Polizei würden daher immer im Einzelfall über die journalistische Tätigkeit entscheiden – »abhängig vor allem von der Glaubhaftmachung«, schreibt Franke. Diesbezüglich seien Einsatzkräfte der Polizei im regelmäßigen Austausch mit dem SMI. Bereits jetzt sei der Umgang mit Presseausweisen grundlegender Bestandteil in Studium und Ausbildung der Polizei Sachsen. Im Zuge einer Ausbildungs- und Studienreform werde zukünftig noch vertiefter auf das Thema eingegangen. 

Diese Sensibilisierung konnte in der Vergangenheit allerdings nicht verhindern, dass Medienaktivisten und -aktivistinnen zum Teil die gleichen Rechte zugestanden wurden wie tatsächlichen Pressevertretern und -vertreterinnen. So berichtete Zeit online im Zuge der Recherche zu gekauften Presseausweisen, dass während der rassistischen Demonstrationen in Chemnitz 2018 Rechtsextreme, nachdem sie nicht-bundeseinheitliche Presseausweise vorgezeigt hatten, von Einsatzkräften an Polizeiabsperrungen vorbeigelassen wurden. Im selben Jahr verschaffte sich der Hallenser Neonazi Sven Liebich mit einem gekauften Presseausweis Zugang zur Leipziger Buchmesse, wo er Teilnehmende einer Protestkundgebung gegen rechte Verlage provozierte. 

Rechtsextreme Freie Sachsen geben Presseausweise aus

Seit den Coronademos aus dem Querdenken-Spektrum ist es zu einer Zunahme von rechten Bloggenden gekommen, die sich mit Presseausweisen ausstatten und sich unter tatsächliche Medienschaffende mischen. SMI-Sprecherin Nadine Franke verweist dabei auf die von den rechtsextremen Freien Sachsen ausgegebenen »Presse-Ausweise für freie sächsische Berichterstatter«. Auf kreuzer-Anfrage gab Robert Andres, Gründungsmitglied der Freien Sachsen, an, dass seine Partei seit September 2021 etwa 100 Exemplare ihrer Presseausweise ausgegeben hätte. Verifizieren lässt sich diese Zahl nicht. Franke teilt mit, dass das SMI keine Statistik über nicht-bundeseinheitliche Presseausweise führt. 

Im Einsatz, etwa auf Demonstrationen, würden Beamtinnen und Beamte zusätzlich von Taktischen Einsatzmoderatoren unterstützt, die von der Bereitschaftspolizei extra zum Umgang mit Medienschaffenden weitergebildet werden, neben den ohnehin im Einsatz befindlichen polizeilichen Presseteams. Da es grundsätzlich keine ungültigen Presseausweise gebe, »ist hier insbesondere auf die Erfahrung der Stabstellen Kommunikation der jeweiligen Dienststellen zurückzugreifen, die die jeweiligen Medienvertreter, aber auch die üblichen nicht-bundeseinheitlichen oder gekauften Presseausweise kennen und so unterstützend eingreifen können«.


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