Was für die einen die Hölle ist, nennt er sein Zuhause – John Rambo ist zurück! Nach 20 Jahren zum vierten Mal auf großer Leinwand, macht Sylvester Stallone noch immer keine Gefangenen. Als Vietnam-Veteran ballert er im thai-burmesischen Kriegsgebiet menschliche Torsos auseinander, reißt Kehlen auf und macht Zielübungen mit dem Flitzebogen. Hollywood hat mit „Alien – Die Wiedergeburt“, den Star Wars-Episoden I-III und zuletzt „Stirb langsam 4.0“ legendäre Filmtrilogien aufgebrochen.
Was für die einen die Hölle ist, nennt er sein Zuhause – John Rambo ist zurück! Nach 20 Jahren zum vierten Mal auf großer Leinwand, macht Sylvester Stallone noch immer keine Gefangenen. Als Vietnam-Veteran ballert er im thai-burmesischen Kriegsgebiet menschliche Torsos auseinander, reißt Kehlen auf und macht Zielübungen mit dem Flitzebogen. Hollywood hat mit „Alien – Die Wiedergeburt“, den Star Wars-Episoden I-III und zuletzt „Stirb langsam 4.0“ legendäre Filmtrilogien aufgebrochen. Da ist es nur legitim, dass auch der „Italian Stallion“ mit einem sechsten Rocky und einem vierten Rambo seine Rente aufbessert – immerhin ist Sly inzwischen 61 Jahre alt!
2007 stand die Operation „Jungbrunnen“ ganz oben auf Stallones Agenda. In „Rocky Balboa“ bewies das Muskelpaket ein gutes Händchen als Darsteller, Drehbuchautor und Regisseur. Kaum war der Film im Kasten, kämpfte sich der Action-Opa bereits als tarnfarbener John Rambo durch den Drehort Chiang Mai in Thailand. Plötzlich erinnerte alles an die 1980er: Schon damals zeigte Stallone, wie er in den „Rocky“-Filmen seinen „Hard Body“ aufbaute und in paralleler Produktion zur Kampfmaschine Rambo umfunktionierte.
Allerdings haben sich die Zeiten geändert. Während „Rockys“ Tellerwäscher-
Millionär-Analogie im Hollywoodfilm immer wieder funktioniert, wirken glorreiche Vietnam-Veteranen als Helden des Kalten Krieges im 21. Jahrhundert ziemlich deplatziert. Rambo ist und bleibt ein Kind der Reagan-Ära. Und die wiederum ist eine Epoche muskulöser Körper: Arnie terminierte an den Kinokassen Millionen, Chuck Norris war erfolgreich „Missing in Action“, und Bruce Willis warf unter großem Hurra ungebetene Terroristen vom Hochhaus.
Neben dem enormen finanziellen Erfolg ihrer Leinwandabenteuer erkennt die Film- und Kulturwissenschaftlerin Susan Jeffords in den „Hard Bodies“ der Reagan-
Actionfilme ein unterschwelliges Kalkül. In ihren Augen steht der Muskelmann als normatives Aushängeschild der Reagan-Philosophie, als Sinnbild für Stärke, Arbeit, Entschlossenheit, Ergebenheit und Mut. Dieser Mann der 1980er ist somit Symbol für die Ablehnung jener hemdsärmeligen Beschwichtigungs- und Friedenspolitik, wie sie nach dem Vietnamkrieg während der Nixon-Ford-Carter-Ära praktiziert wurde.
Rambo ist hierfür bestes Vorzeigeobjekt: In Teil I beweist er dem „verweichlichten“ Nationalstaat, was der einst für den Vietnamkrieg ausgebildete Körper zu leisten vermag. Ohne große Mühe hebelte der zurückkehrende Kriegsveteran einen Kleinstadtsheriff und die hinzugerufene Nationalgarde aus. Teil II legitimiert mit seiner Kriegsgefangenen-Rettungsaktion in Vietnam im Nachhinein die US-Invasion in Grenada. Und Teil III schließlich lässt im Kampf gegen das „Evil Empire“ Sowjetunion die Unternehmungen der afghanischen Mudschaheddin hochleben. Immer steht dabei Rambo, die Killermaschine, im Zentrum der Handlung. Doch ist er keineswegs ein geistloser Action-Man. Stets handelt der lebende Bizeps nach eigenem Ermessen. Deshalb erkennt Jeffords in Rambo ein Abbild der nationalen Fantasie Reagans: ein freier Geist in einem stählernen Körper.
Doch die 1980er sind Schnee von gestern und der Kalte Krieg ist auch längst vorbei. „John Rambo“ kann daher heute gar nicht anders und muss komplett neue Wege beschreiten. Nur einige ikonografische Reminiszenzen bleiben: Rambo beim Bogenschießen, Rambo beim Messerwetzen, Rambo mit Nadel und Faden beim Wundenstopfen. Neu allerdings – so viel verrät das bisher gezeigte Filmmaterial – sind Rambo mit Kreuz in den Händen beim Beten, Rambo als Teamplayer im selbst gebastelten Söldnertrupp sowie Rambo als thailändischer Schlangenhändler und Flussführer. Kämpft Rambo nun als „Working Class Hero“ und christlicher Erlöser stellvertretend für die gesamte westliche Welt im Krieg gegen den Terror?
Auch formal hat sich einiges geändert: Stallone sitzt zum ersten Mal bei „Rambo“ auf dem Regiestuhl, der in Teil I bis III aktive Alan Silvestri gibt den Dirigentenstab an den Komponisten Brian Tyler ab, und auch das Wiedersehen mit Rambos Vater im Geiste, Colonel Trautman, fällt aus. In Sachen Story bleibt hingegen alles beim Alten: Nur mit Mühe kann sie den Zeichenspeicher einer SMS sprengen. Christliche Missionare wollen dem von der Militärjunta bedrohten Karen-Volk mit Rambos Boot Medizinlieferungen zustellen und müssen schließlich in Burma von Rambo gerettet werden.
Burma als Ort der Handlung allerdings lässt sämtliche Alarmglocken schellen; probten dort doch eben noch buddhistische Mönche eine friedliche Revolution gegen General Than Shwe, den Chef der Militärjunta in Burma. Ihm verdankt der Staat übrigens seine Position auf der Liste potenzieller Schurkenstaaten. Und genau in diesem wütet John Rambo, um Geiseln zu befreien. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Vielleicht hat sich unterm Strich doch nicht allzu viel geändert. Vielleicht kommt die Reagan’sche Altherrenriege gerade zur rechten Zeit zurück auf die Leinwand. Vielleicht ersehnt das Mainstreamkino in der Gefolgschaft George Bushs erneut einen nationalen, stählernen Körper, der der Welt zeigt, wie mit den Schurken der Gegenwart umzugehen ist. Bruce Willis jedenfalls ist als vierter John McClane an den Kinokassen ganz gut angekommen, Indiana Jones wird im Mai nachziehen und auch Gouverneur Arnold Schwarzenegger hat seine Kinorückkehr für 2011 angekündigt. Sogar »Rambo V« ist schon im Gespräch. Wenn also Reagan’sche „Hard Bodies“ im 21. Jahrhundert erneut zum Angriff blasen, sollte die Welt wachsam sein. Diese Filme haben wesentlich mehr Gewicht als das belanglose Uffe-Fresse-Prekariatskino, für das sie gern gehalten werden.