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Kultur

Klangsuche am Flussufer

Unterwegs mit dem Komponisten Thomas Christoph Heyde im Abtnaundorfer Park

  Klangsuche am Flussufer | Unterwegs mit dem Komponisten Thomas Christoph Heyde im Abtnaundorfer Park

Wir haben uns in der Abtnaundorfer Straße, Ecke Heiterblickstraße verabredet. Das liegt im Nirgendwo des Leipziger Nordens – dort, wo einem noch berittene Pferde auf holpriger Landstraße begegnen, neben Wiesen und Scheunen, dort, wo sich gerade ein Fuchs im Gebüsch versteckt, um uns kurz darauf mit seinem Erscheinen zu überraschen.

Wir haben uns in der Abtnaundorfer Straße, Ecke Heiterblickstraße verabredet. Das liegt im Nirgendwo des Leipziger Nordens – dort, wo einem noch berittene Pferde auf holpriger Landstraße begegnen, neben Wiesen und Scheunen, dort, wo sich gerade ein Fuchs im Gebüsch versteckt, um uns kurz darauf mit seinem Erscheinen zu überraschen.

Ans Ende der verschlafenen Landstraße, vor einer recht feudal anmutende Villa hat sich auch ein gelbes Taxi verirrt. Thomas Christoph Heyde steigt aus. Der 34-Jährige ist nicht nur Komponist zeitgenössischer Musik mit einem Gespür für die Natur, sondern seit 1997 auch künstlerischer Leiter des Forums für Zeitgenössische Musik Leipzig (FZML). Unsere Entdeckung des Abtnaundorfer Kleinods haben wir ihm zu verdanken. Denn Heydes Musik ist der Grund, der uns in diesen verwunschenen Park geführt hat. Der Komponist bereitet mit dem FZML gerade ein Nachtwanderkonzert entlang des Flüsschens Parthe vor, der sich hier durchs Grün schlängelt. Im Abendlicht beschreiten wir vorab die Strecke, die später im Dunkeln nur noch erhörbar sein wird, wenn dem Publikum allein Klanginseln im Freien zur Orientierung helfen.

Erste Station der musikalischen Nachtwanderung ist der Parkteich. Heydes ernste Augen blicken über das dunkle Wasser hinüber zum Pavillon auf der zugewachsenen Insel und dann weiter zu einer weißen Frauenskulptur aus Drahtgeflecht, die auf dem Wasser zu schweben scheint. Man kann sehen, wie er sich die Musik zur Szene hinzudenkt. Wir schlendern weiter zur kleinen Bogenbrücke über die friedliche Parthe. Die Brücke ist neben dem Tempel im Teich eines der wenigen Überbleibsel der ursprünglichen Parkgestaltung aus den Anfängen des 19. Jahrhunderts. Viel vom Grün liegt hier unberührt – die wilde Lichtung nach der nächsten Biegung legt mit ihren mannshohen Gräsern Zeugnis davon ab.

»In diesen naturbelassenen Orten steckt so viel Geist«, sinniert Heyde. Inspiration könne er zwar auf intellektuellem Wege auch in der Stadt finden. Aber das Selbstvergewissern und Krafttanken für den nächsten realen Output, das gehe nur in Räumen wie diesem.

Heyde sucht hier draußen jedoch nicht allein nach Ruhe. Der Tonkünstler muss für die Realisierung seiner aufwendigen elektroakustischen und intermedialen Kompositionen immer auch Orte abseits von Kunsthalle und Konzertsaal finden. Darauf baut seine Idee zur Konzertreihe FreiZeitArbeit: »Wir wollen gerade junge Menschen nicht in den klassischen Musiksaal holen, wo sie sich vielleicht unwohl fühlen. Wir wollen ihnen zeitgenössische Musik an Orten nahe bringen, die sie kennen – eben die der Arbeit und der Freizeit.« Seit 2007 läuft die Konzertreihe bereits, vor wenigen Wochen hat Heyde mit einem Konzert im Arbeitsamt polarisiert und die Beziehung von Ort und Inhalt konterkariert.

Auf ähnliche Weise will er im nächtlichen Abtnaundorfer Park entlang der Parthe das Klischee bekämpfen. Keine klassische Musik soll da die Szene romantisieren; auf den naturbelassenen Wegen spielt dann eine Blockflöte zu computergenerierten Klängen.


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