»Computerspiele sind in der Welt der Kultur angekommen«, verkündete Messe-Chef Wolfgang Marzin bereits im Juli auf der Vorpressekonferenz zur diesjährigen Games Convention (GC). Zum Beweis durfte die im Werk II versammelte Journaille eine Performance des Leipziger Tanztheaters bewundern.
»Computerspiele sind in der Welt der Kultur angekommen«, verkündete Messe-Chef Wolfgang Marzin bereits im Juli auf der Vorpressekonferenz zur diesjährigen Games Convention (GC). Zum Beweis durfte die im Werk II versammelte Journaille eine Performance des Leipziger Tanztheaters bewundern. Die Tänzer führten, gekleidet in hautenge, weiße Overalls, ein von der Messe sogenanntes »Street Battle« auf und ähnelten in diesem Aufzug erstaunlich den Figuren auf den großen, grünen GC-Werbeplakaten. »Ein Kampf gegen unsichtbare Drachen beginnt. Stopp. Jump. Head spin.« konnte man später in der entsprechenden Pressemitteilung über den Sinn der Vorstellung lesen. Und: »Schmelz wechselt mit Drama, mystische Klänge wie aus einer anderen Welt.« Interessanter war da schon, was Marzin über die Wachstumszahlen der Branche sagte. Die sind alle zweistellig, egal in welcher Hinsicht, aus welcher Sparte oder aus welchem Genre – Wachstum überall, Dollarzeichen in den Augen.
Dick ist out
Und Marzin schüttelte noch einen Knaller aus dem Ärmel seines nadelgestreiften Anzugs: »Das Klischee des dicken Computerspielers wird überwunden«, sagte er mit siegessicherem Lächeln. Gemeint war der Trend zu Spielen, bei denen mehr als nur Daumen und Zeigefinger bewegt werden. Mit Produkten wie der Software Wii Fit und dem dazugehörigen Balanceboard, einem Plastikbrett mit Bewegungssensoren und Konsolenanschluss, wird seit einiger Zeit Fitness vor dem Bildschirm betrieben. Wii Fit ist heutzutage ungefähr das, was in den neunziger Jahren das Cindy Crawford Fitness-Video war. Man wird animiert, sich zu strecken und zu recken, das eine oder andere Bein hochzuschmeißen und mit einfachen Yogaübungen zu »relaxen«. Sogar Liegestütze sind auf dem Balanceboard möglich. Eine nette Computerfrau macht es vor, und am Ende kann man seine Leistung genau analysieren. Sport geht auch ohne Fernseher und Spielkonsole, aber mit macht es vielleicht mehr Spaß, wer weiß.
Vier Tage Messerummel
Ausprobieren kann man das in den Leipziger Messehallen von Donnerstag (21.8.) bis Sonntag (24.8.) auf der siebten Games Convention. Vier Tage lang werden rund 500 Firmen sich und ihre Produkte ausschweifend präsentieren, das Publikum wird neue Spiele testen, Fachwelt und Journalisten werden ins Gespräch kommen. Mit einem überarbeiteten Hallenkonzept und einer neuen Verbindungsröhre zwischen Halle 4 und Halle 5 hofft die Messeleitung, die Besucherströme regulieren zu können. Besonders am Wochenende kann es wieder voll werden. Die Messe strebt einen Besucherrekord an, im letzten Jahr kamen rund 180.000 Gäste. Neue Spitzenleistungen gibt es schon und zwar bei der Ausstellungsfläche (115.000 qm), der Zahl der Premieren (über 250), der Größe des exklusiven Fachbesucherbereichs (30 Prozent größer) und der Internationalität – Firmen aus 28 Ländern bauen ihre Stände in Leipzig auf.
Arena statt Gewandhaus
Begleitet wird die Messe von einem umfangreichen Rahmenprogramm. Bereits am Mittwochabend startet es mit der Eröffnungsshow »Video Games Live« in der Arena Leipzig. Statt des traditionellen GC-Eröffnungskonzertes im Gewandhaus gibt es in diesem Jahr eine in den USA entwickelte Multimediashow mit Musik aus bekannten Spielen, Schauspiel, Video und allerlei bunten Effekten. »Wir wollen einfach mal etwas Neues ausprobieren, außerdem waren die Kapazitäten im Gewandhaus zu klein«, sagt Peggy Schönbeck, Projektdirektorin der GC. Direkt neben der Arena finden etwa 5.000 Zelte auf der Festwiese am Zentralstadion Platz. »Campen, chillen und daddeln ist hier angesagt«, so Schönbeck. Auf dem Messegelände selbst sind die Europameisterschaften im E-Sport zu sehen. Hier kämpfen Profispieler in den Spielen Counterstrike, Warcraft 3 und Fifa 08 um Medaillen und insgesamt 55.000 € Preisgeld. Außerdem starten auf der GC die Intel Extreme Masters, ein internationales E-Sport-Turnier, dotiert mit über 500.000 €.
Die GC Family zeigt in einer eigenen Halle wieder pädagogisch Wertvolles aus der Spielewelt und bei der GC Art werden 30 Jahre Space Invaders, digitale Schönheiten, in Spielen gedrehte Kurzfilme und gepimpte Rechnergehäuse gefeiert. Besonders sehenswert wird die Ausstellung alter und neuer Spielkonsolen aus der ganzen Welt sein. Der Leipziger Sammler René Meyer hat seine Sammlung aufgestockt und zeigt in diesem Jahr über 300 Handhelds und LCD-Spiele.
Der Messe-Super-GAU?
Völlig unklar ist derweil die Zukunft der Games Convention. Wird es eine GC 2009 in Leipzig geben, nachdem der Verband der großen deutschen Spielefirmen sich für eine neue Messe in Köln entschieden hat? Dazu erfährt man derzeit nichts. Vertreter der Messe halten dicht, lediglich das Mantra der letzten Monate wird gebetsmühlenartig wiederholt: Man halte sich bereit für die Industrie und werde sich äußern – zu gegebener Zeit. Vielleicht aber ist das Konzept Publikumsmesse im Spielesektor bald komplett gestorben. Die Branche ist unruhig, seit Nintendo (Game Boy, Wii, Mario Bros.) als einziger Großhersteller ankündigte, nicht auf der GC 2008 vertreten sein zu wollen. Große Publikumsmessen wie die GC würden sich nicht mehr lohnen, hieß es aus dem fernen Kyoto. Man wolle seine Produkte lieber im Internet, auf Roadshows und ganz gezielt, zum Beispiel in Vergnügungsparks, präsentieren. Das erscheint den in den letzten Jahren wirtschaftlich stets clever agierenden Japanern offensichtlich effektiver als sechs- bis siebenstellige Summen in einen Messestand zu investieren. Beunruhigen sollte diese Entscheidung neben den Leipzigern auch die Verantwortlichen der Kölner Messe. Nimmt sich die Industrie ein Beispiel an Nintendo und bleibt großen Publikumsmessen aus Kostengründen fern, dann stehen die Kölner vor einem Messe-Super-GAU.