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Kultur

»Ich bin Kandidat Nummer 1«

Walter Famler, Kommandant der von Wien aus operierenden »Bewegung Kosmos«, über das verlorene utopische Potential der Raumfahrt und seine eigene Mission im Jahr 2011

  »Ich bin Kandidat Nummer 1« | Walter Famler, Kommandant der von Wien aus operierenden »Bewegung Kosmos«, über das verlorene utopische Potential der Raumfahrt und seine eigene Mission im Jahr 2011

Heute vor 30 Jahren flog Sigmund Jähn als erster deutscher Fliegerkosmonaut ins All. Dem »Gagarin der Ostdeutschen« hat der Wiener Herausgeber und Kommandant der international agierenden »Bewegung Kosmos« Walter Famler in der aktuellen kreuzer-Titelgeschichte einen Essay gewidmet. kreuzer online sprach mit ihm über seine Begeisterung für die frühe Raumfahrt, den Pop-Faktor des Alls und seine eigene Mission.

Heute vor 30 Jahren flog Sigmund Jähn als erster deutscher Fliegerkosmonaut ins All. Dem Gagarin der Ostdeutschen hat der Wiener Herausgeber Walter Famler in der aktuellen kreuzer-Titelgeschichte einen Essay gewidmet.

Walter Famler, geboren 1958 in Bad Hall/Oberösterreich, ist Generalsekretär des Kunstvereins Alte Schmiede in Wien und Herausgeber der Literaturzeitschrift Wespennest. Als Kommandant der Bewegung Kosmos/Gruppe Gagarin hat er sich der Verherrlichung der frühen bemannten Raumfahrt verschrieben. In einem roten Fiat 500 mit dem amtlichen Kennzeichen W-OSTOK 1 fuhr er im letzten Sommer von Wien nach Moskau und ins Sternenstädtchen. Eine Beschreibung der Reise hat Famler in Buchform veröffentlicht.

kreuzer online: Was ist so faszinierend an der Zukunft von gestern? WALTER FAMLER: Dass wir uns fragen, was daran ist Zukunft, was ist Vergangenheit? In der Zukunft von gestern lässt sich die kollektive Fantasiemaschine erkennen, die alten Mythen der Seefahrer und Argonauten.

kreuzer online: Warum bedient sich die Popkultur, so wie Sie selbst auch, statt der ungefilterten Heldenverehrung in der Regel des ironischen Untertons? FAMLER: Wenn man ein gewisses Verständnis von historischen Entwicklungen und Desastern hat, ist Ironie auch ein Bewältigungsmechanismus. In der Pionierzeit der Raumfahrt hat man die Fortschrittsmythen euphorisch gesehen, dann ist die Betrachtung ins Melancholische und Ironische gekippt. Die heldenhafte Pionierzeit ist vorbei, der Schlusspunkt war die Landung auf dem Mond. Danach ist die Raumfahrt inflationiert worden. Heute ist die Raumfahrt eine rein wissenschaftlich-technische Angelegenheit und nicht mehr die von wagemutigen Militärfliegern.

kreuzer online: Hat die Raumfahrt der Gegenwart ihr utopisches Potential eingebüßt? FAMLER: Partiell ja. Wenn heute eine Crew ins Weltall startet, ist die Aufmerksamkeit dafür gering. Das utopische Potential einer Raumstation ist ausgeschöpft, das sinkt ja schon ins Touristische. Aber wenn es zum Beispiel um Flüge zum Mars geht, wird es neu generiert.

kreuzer online: Eins der Ziele der Bewegung Kosmos lautet, »das Lächeln des Juri Gagarin weltweit und massenhaft in die Antlitze der Frauen zu zaubern«. Warum das? FAMLER: Mit dieser klassisch ironischen Agit-Prop-Formel gewinnen wir viele, die unserem Tun eher verblüfft oder distanziert begegnen.

kreuzer online: Wollen Sie selbst mal ins All, statt die Kosmonauten immer nur zu verherrlichen? FAMLER: Wir arbeiten dran. Wir wollen 2011 mit den Russen ins All fliegen. Für die Bewegung Kosmos bin ich Kandidat Nummer 1. Bei unserem Vorhaben sind wir innerhalb eines Jahres von einer Wahrscheinlichkeit gleich Null auf 3,9 Prozent gekommen. Die Rechnung basiert allerdings auf einer sehr individuell verfassten Spieltheorie meinerseits.

kreuzer online: Inzwischen gibt es Werbefilme für touristische Weltraumflüge. Die Passagiere fliegen 30 Sekunden in der Schwerelosigkeit und begießen das mit Champagner ... FAMLER: Schwerelosigkeit mit Champagner kann ich in Wien auch haben. Da brauche ich nur auf eines dieser öden Kulturbankette zu gehen.


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