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Kultur

Schock-Strategie, doppelt

Die neue Hausregisseurin Jorinde Dröse spricht über ihre Arbeit, emotionalen Zugang zu Stoffen und politischen Umgang am Theater

  Schock-Strategie, doppelt | Die neue Hausregisseurin Jorinde Dröse spricht über ihre Arbeit, emotionalen Zugang zu Stoffen und politischen Umgang am Theater

Jorinde Dröse, geboren 1976 im hessischen Hanau, hat an deutschen Bühnen von Hamburg bis München inszeniert – jetzt kommt sie als Hausregisseurin an das Centraltheater. In Leipzig beginnt sie ihre Arbeit mit »Die Schock-Strategie. Hamlet«

Jorinde Dröse, geboren 1976 im hessischen Hanau, hat an deutschen Bühnen von Hamburg bis München inszeniert – jetzt kommt sie als Hausregisseurin an das Centraltheater. In Leipzig beginnt sie ihre Arbeit mit »Die Schock-Strategie. Hamlet«. »Schock-Strategie« ist der Titel eines Sachbuchs von Naomi Klein über den Zusammenhang zwischen Katastrophen und extremer Gewalt, von Schock und der Etablierung neoliberaler Ideologie. Auf über 700 Seiten spürt die Autorin diesem Phänomen durch den Lauf der Zeiten und die Länder der Welt bereisend nach.

»Passt das Stück zu mir, zu den Schauspielern und zur Stadt?«, fragt sich Jorinde Dröse, die das politische Sachbuch in einen Theaterabend verwandeln will. Die emotionale Bindung an aktuelle Themen ist ihr wichtig. Sie interessiert sich für den anderen Blick, den Naomi Klein auf die Geschichte wirft. Die Autorin untersucht, wie Ausnahmezustände nach politischen und ökonomischen Krisen oder nach Naturkatastrophen von den Mächtigen der Welt ausgenutzt wurden. Die sieben Schauspieler – Zugezogene, Dagebliebene aus dem Engel-Ensemble und ein Gast – kannten sich vor Probenbeginn kaum. Sie haben unterschiedliche Arbeitsweisen und suchen im Austausch nach einer szenischen Umsetzung der »Schock-Strategie«.

Die schauspielerische Annäherung an das Thema ist für die Regisseurin eng mit persönlicher Erfahrung und Emotion verbunden. »Ich versuche extrem zu öffnen, jeder Einzelne soll bei sich selbst anfangen.« Aus der Lebenswirklichkeit und Erinnerung der Darsteller stellen sich Bezüge zum Thema her. Leipzig als gemeinsamer Ort, die Wende als gesellschaftliches Ereignis, der Lauf einzelner Lebenslinien in den Folgejahren – wie lassen sich biografische Schockerlebnisse mit den weltpolitischen Beispielen Naomi Kleins in Verbindung bringen? »Einlesen, Einarbeiten in das wirtschaftslastige Thema!«, so beschreibt Dröse ihre Vorbereitungen. Das klingt selbst im Nachhinein anfeuernd. Sie will den Stoff auf der Bühne durchschaubar machen, Fragen an die Geschichte zuspitzen, ohne zu mahnen oder belehren zu wollen. »Dazu gehe ich viel zu gern ins Theater, lache und lasse mich unterhalten.«

Für das Sachbuch sucht sie nach Bühnenformen; auch einen Roman, eine Novelle, einen Film hat sie in den letzten Jahren auf dem Theater inszeniert. Dramatisiert und bühnenerprobt findet Dröse die »Schock-Strategie« in Shakespeares »Hamlet« wieder und kombiniert beide Texte für ihr Theaterprojekt. Nicht nur in Inhalt und Form steckt die Politik des Theaters für Jorinde Dröse, sondern vor allem im Umgang mit den Kollegen. Gemeinsam mit ihnen will sie die weltläufigen Themen auf der Bühne erzählbar machen. Die Eigenarten und Erfahrungen der einzelnen Schauspieler fließen in das Projekt ein. Zwischen Bühne und Zuschauerraum gehe es zwar hierarchisch zu: »Hier sind die einen, die erst mal alles dürfen, und dort die Zuschauer, die sich alles still ansehen.« Dennoch ist das Theater für Jorinde Dröse eine politische Veranstaltung. Schließlich bleibt es dem Zuschauer überlassen, sich auf das Projekt einzulassen und die Verquickung von »Hamlet« und »Schock-Strategie« erquicklich zu finden oder nicht.


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