Unsere »kreuzer-Auslandskorrespondentin« Ele Jansen hat sich auf große Fahrt begeben und berichtet in einem exklusiven Reise-Blog über ihre Erlebnisse vor Ort – diese Woche über aktive Vulkane, Gewürzplantagen und die lokale Künstler-Szene Balis.
Unsere »kreuzer-Auslandskorrespondentin« Ele Jansen hat sich auf große Fahrt begeben und berichtet in einem exklusiven Reise-Blog über ihre Erlebnisse vor Ort – diese Woche über aktive Vulkane, Gewürzplantagen und die lokale Künstler-Szene Balis.
Teil 11: »Vulkane und Katzenkackekaffee«
Bali ist ziemlich klein. Wenn man mit leichtem Gepäck reist, empfiehlt es sich daher, einen Scooter zu mieten und auf eigene Faust durchs Land zu reisen – zumal es kaum öffentliche Busse gibt und die Kleinbusse verhältnismäßig unpraktisch sind. Motorräder sind auch für Balinesen das Fortbewegungsmittel Nummer eins. Überall auf den Strassen stehen die Jungs, Macho as anything, und bieten jedem Touristen mit der immer gleichen Formel ihre Dienste an: »Hey, need a transport, you need a taxi?« Nach hundert Metern hat man geschätzte fünfzig Mal freundlich abgelehnt. Als ich zur Abwechslung mal »Hey need a ride?« hörte, hielt ich an. Die Stimme mit dem außergewöhnlich guten Englisch gehörte Komang, einem »echten« Balinesen aus einer der Gemeinden, die seit jeher nicht nur die Kolonialherren, sondern auch die Javanesen aus ihrem Ort fern gehalten haben. Wir kommen ins Quatschen und verabreden uns für den nächsten Tag zu einer Tour in den Norden der Insel.
Normalerweise fahre ich gern selbst, aber mit meinem Fahrer genieße ich den Luxus, die vorbeirauschende Umgebung viel intensiver wahrzunehmen und eine Millionen Fragen zu stellen – jetzt, da ich mich mehr nicht auf den Linksverkehr konzentrieren muss. Unsere Tagestour geht von Ubud, wo ich wohne, zum »Gunung Batur«, einem aktiven Vulkan. Ubud selbst liegt im Inland, leicht erhöht, umgeben von Reisterrassen und zahlreichen Hindutempeln. Von den Vulkanen im Norden kommen zwei Flüsse, die durch tiefe, grün bewaldete Schluchten toben, bevor sie ihr Tempo im Dorf verlieren. An diesen Canyons und Reisfeldern entlang fahren wir hinauf zum Fuße des »Batur«, dessen Krater 1717 Meter über dem Meer liegt. Das Gebiet ist vor 30.000 Jahren durch einen gigantischen Vulkanausbruch entstanden, und sieht mit seinen Kratern, scharfkantigen Felsen und türkisblauen Seen spektakulär aus. Vom »Batur« sieht man seinen Nachbarvulkan, den »Gunung Agung«, welcher mit dem Besakih-Tempel der heiligste Ort Balis ist. Beide Vulkane sind noch aktiv und sind in den 1960er Jahren quasi gemeinsam ausgebrochen: Lediglich einige Monate nach einem verheerenden Ausbruch am »Agung«, spieh »Batur« sein Innenleben in die umliegende Natur. Das Spektakel dauerte von September 1963 bis Mai 1964.
Diese Ausbrüche wurden auf Bali natürlich nicht nur als geografisches Phänomen gedeutet. Verantwortlich für die »Rache der Götter« sind die Menschen, so der Volksglaube. Alle hundert Jahre soll eines der wichtigsten Reinigungsrituale im Hinduismus, das »Eka Dasa Rudra«, durchgeführt werden. Seit dem 16. Jahrhundert war das allerdings nur unregelmäßig und zu selten geschehen. Das Ritual wurde also für März 1963 im Besakih-Tempel hoch oben am »Agung« angesetzt. Im Februar rührte der »erloschene« Vulkan sich seit Jahrhunderten erstmals wieder. Im Krater wurde glühende Lava gesichtet, und es fiel ein leichter Ascheregen. Zunächst sah man dies als befürwortendes Zeichen der Götter, und fuhr fort mit den vorbereitenden Zeremonien. Anfang März spuckte der Vulkan erste Brocken, und ließ schwarzen Rauch zum Himmel steigen. Und auch jetzt wurden die Feierlichkeiten nicht abgesagt. Anscheinend machte man sich nur mäßig Sorgen um die Sicherheit der angesagten Gäste, darunter der Präsident, internationale Gäste und tausende Gläubige. Am 17. März kam es dann zu einem der stärksten Ausbrüche des 20. Jahrhunderts. Die oberen hundert Meter des Berges wurden dabei ins Umland katapultiert. Die ganze östliche Insel war in eine Giftwolke eingehüllt, Dörfer von Lava eingeschlossen und Strassen zerstört. 2000 Menschen verloren ihr Leben, 100.000 wurden obdachlos. Trotz der Wucht der Eruption wurde der Besakih-Tempel weitgehend verschont, so dass die Schlussrituale am 20. April dort abgehalten wurden. Kaum vorstellbar, wie tief der Glaube an die Wichtigkeit dieser Rituale verwurzelt sein muss, um drei Tage nach einem solchen Ausbruch zurück in die Hitze des Berges zu gehen, um ein falsch datiertes Ritual abzuschließen.
Nach dieser Geschichtsstunde am Vulkan zeigt Komang mir eine kleine Kaffeeplantage, die Freunde von ihm betreiben. Auch Dank der Lava ist die Erde hier anscheinend sehr fruchtbar. Wir wandern auf roter Erde durch schmale Pfade, an die sich eng die verschiedensten Pflanzen säumen. Kaffee, Kakao, Torch Ginger, Zimtbäume, Bananenstauden, Kardamom, Nelken, Sternanis. Name it you find it. Der hier angebaute Kaffee ist allerdings die Sensation der kleinen Anlage. Allabendlich wandern die Bauern durch den Garten, um den Kot der Zibetkatzen einzusammeln. Die possierlichen Tiere nehmen mit ihrer Nahrung unter anderem Kaffeebohnen auf, die sie fermentieren, aber nicht komplett verdauen. Die ausgeschiedene Bohne soll nun einen ganz besonders exquisiten Kaffee ergeben. Erwartungsgemäß wird recht wenig von dem Kaffee produziert, und spätestens seit Nicholson in »Das Beste kommt zum Schluss« (USA, 2007) auf den »Kopi Luwak« schwor, dürfte der Preis explodiert sein. Ein Kilo Bohnen soll 50 bis 1000 Euro kosten. Eine Tasse davon kostete allein auf Bali schon 20 Euro.
Zurück in Ubud habe ich eine Verabredung mit dem örtlichen Kunstverein. Ubud galt seit jeher als Gemeinde unbeugsamer und freiheitsliebender Menschen. Kein Wunder, dass Künstler aus Europa Ubud Anfang des 20. Jahrhunderts als Zentrum und Inspiration für ihre Arbeit entdeckten. Seitdem versammeln sich hier nationale wie internationale Maler, und studieren die Stile einheimischer Künstler. Gleichzeitig beeinflussen sie die traditionelle Malerei durch westliche Methoden und Trends. Das Neka Museum zeigt eine überraschende Bandbreite der lokalen Malerei über die Jahrhunderte. Einer der international renommiertesten Künstler mit Sitz auf Bali ist allerdings auch heute kein Balinese, sondern Ashley Bickerton, ein auf Barbados geborener Amerikaner, dessen Mix aus Fotografie und Malerei in den frühen Achtzigern weltweit bekannt wurde und heute moderat anhält. Balinesische Künstler werden international kaum ausgestellt, wie es scheint. Einige der wenigen Ausnahmen, von denen ich gehört habe, sind hier aufgelistet: www.gayafusion.com/art_space/info.php. Die meisten verdienen ihr Geld allerdings mit Massenproduktionen für Deko- und Einrichtungshäuser in der ganzen Welt.
Nach so viel Freizeitstress gönne ich mir bei meiner Nachbarin Eka eine Massage. Sie ist 20, winzig und erstaunlich kräftig. Ihre Mischung aus Thai, Shiatsu und balinesischer Massage ist die beste, die ich je hatte. Und das für unschlagbare sechs Euro. Eka erzählt mir, dass sie sieben Tage die Woche jeweils zehn Stunden lang arbeitet. Ihr Jahresurlaub beläuft sich auf eine Woche, von der 24 Stunden für die Reise in ihren Heimatort drauf gehen. Ich kenne kaum jemanden in Deutschland, der gezwungen ist, soviel zu arbeiten, um überhaupt ein Einkommen zu haben. Und dennoch wirkt Eka zufriedener mit ihrem Leben, als viele Menschen zuhause. Zufälligerweise stoße ich kurz nach meiner Massage auf Buch mit dem Titel »Affluenza«. Der Autor Oliver James versucht darin – eher populärwissenschaftlich – zu belegen, dass Menschen eher zu Unzufriedenheit neigen, je wohlständiger und medialisierter ihre Umgebung ist. Sich solch deprimierenden Fragen eine Weile zu entziehen, ist ein Luxus, den man sich beim Reisen gönnen sollte. Also lege ich das Buch beiseite und entscheide mich für das wesentlich passendere »Civil Disobedience« Thoreaus’, das mir Freunde mit auf den Weg gegeben haben. Ele Jansen
Bildergalerie zu dieser Folge hier.
Karte mit Routenverlauf und Etappenbeschreibungen hier.