Unsere »kreuzer-Auslandskorrespondentin« Ele Jansen hat sich auf große Fahrt begeben und berichtet in einem exklusiven Reise-Blog über ihre Erlebnisse vor Ort. Südlich von Melbourne geht es trotz kühler zehn Grad Celsius zum See-Kajaken in die Wellen
Unsere »kreuzer-Auslandskorrespondentin« Ele Jansen hat sich auf große Fahrt begeben und berichtet in einem exklusiven Reise-Blog über ihre Erlebnisse vor Ort. Südlich von Melbourne geht es trotz kühler zehn Grad Celsius zum See-Kajaken in die Wellen.
Teil 15: »See-Kajaken im australischen Winter«
Zurück aus Tasmanien, steige ich in Melbourne wieder in St. Kilda ab, dem alten Seebad der Stadt, das heute ein leicht verranztes Flair hat und dementsprechend viele junge Leute anzieht. Einige Überbleibsel der besseren Zeiten sind allerdings noch vorhanden. So ist die Aclandstreet noch immer bekannt für die beste Patisserie der Stadt. Außerdem hat der »Luna Park«, ein kleiner Vergnügungspark am Strand, auch heute noch regen Zulauf, und in St. Kilda finden vermutlich auch die meisten Konzerte und Kulturveranstaltungen statt.
Ich wohne zum ersten Mal in einer der neuen, modernen Hostel-Ketten, die überall aus dem Boden sprießen, weil der Manager mich ein paar Jobs für Kost und Logis machen lässt. Solche Handschlagvereinbarungen sind praktisch, da die Kosten für die Unterkünfte einen großen Teil meines Reisebudgets verzehren. Da ich mich bei einem »Giant Swing« etwas verletzt hatte, und mein Rücken schmerzte, habe ich einen Arzt aufgesucht. Der Osteopath stellt sich als Craig vor und behandelt mich eine Stunde lang, während ich ihm gestehe, dass ich von einem 15 Meter hohen Telegrafenmasten gesprungen bin, und das Seil, das mich auffangen sollte, ungünstig an meinem Klettergurt befestigt war, so dass ich mir den Rumpf verrenkt habe. Er schmunzelt und sagt, ich solle unbedingt seinen Freund kennen lernen, falls ich Lust auf weitere Unfälle dieser Sorte hätte. Da wir uns während der Behandlung so gut unterhalten haben, verabreden wir uns abends in einer Bar namens »Snake Pit«.
Ein paar Stunden später laufe ich in die schmale Kellerbar und sehe Craig mit dem von ihm erwähnten Freund Damien am Billardtisch. Ich genieße es, Einblicke in den australischen Alltag und die Weltsicht seiner Bürger zu erhalten. Wir verabreden uns regelmäßiger, gehen gemeinsam wandern, schwimmen und immer wieder Billard spielen. Damien wird Craigs Beschreibung gerecht: Er studiert »Adventure Tourism«, klettert, kajakt und lebt in seinem Van, weil er sich durch die hohen Studiengebühren gerade keine Wohnung leisten kann. Also schläft er im Auto, das neben seinem roten »Playboat« steht. Er nennt es liebevoll »Franzi«, nach »Franziska Van Almsick«, weil er findet, dass die deutsche Vorzeigeschwimmerin die gleiche Form hat, wie sein Kajak. Aha? Vielleicht auch, weil er hofft, dass das Boot ebenso zuverlässig über Wasser bleibt. Als gutes Omen sozusagen. Diese Namensgebung ist eine weitere australische Logik, die sich mir nicht vollkommen erschließt, aber bitte sehr.
Die Tage hier unten werden kälter, was uns allerdings nicht davon abhält, ein zweites Kajak auszuleihen, und nach Torquay-Beach zu fahren, um damit in den Wellen zu surfen. Parkie, ein Freund von Damien, wollte es sich nicht nehmen lassen, sein Boot einmal abseits von Wildwasserflüssen zu testen. Allerdings hatte Parkie vor kurzem einen Schädelbruch, der noch immer mit einer Art Zahnspange fixiert ist. Sein Arzt hätte bestimmt nicht gut geheißen, dass er sich damit nun in die winterlichen Wellen stürzt, zumal es am Strand leicht passieren kann, dass man von den Wellen umgeworfen wird, und der Kopf im seichten Wasser auf den Sand schlägt. Womit ich im Übrigen meine eigenen Erfahrungen machen sollte ...
Es sind zehn Grad Celsius in der Luft und zehn Grad im Wasser. Ich ziehe eine Shorts an, und als Oberteil bekomme ich einen Dry-Suit, der mich fast erdrosselt, aber dafür wirklich trocken hält. Als wir rauspaddeln, mahnt Damien mich noch einmal zur Vorsicht – er sei selbst noch nie mit seinem Boot in den Wellen gewesen, und die sähen heute doch ziemlich hoch aus. Ich blicke ihn erstaunt an. Bisher hatte ich noch geglaubt, er wüsste, was er hier tut. Schließlich ist er angehender Tourguide und sollte verantwortungsvoll handeln, oder nicht? Dass dem nicht unbedingt so ist, hätte ich schon daran erkennen sollen, dass er Parkie mitgenommen hat.
Nichtsdestotrotz gewöhne ich mich schnell an das Gefühl im Boot, balanciere mehr mit den Hüften als mit Hilfe des Paddels, und nehme bald eine Welle in Angriff. Mein Boot steht genau richtig, um die Welle anzupaddeln und sie zu surfen. Ab diesem Moment denke ich nicht mehr, ich merke nur, wie mich der Schub des Wassers beschleunigt und anhebt. Die Welle ist viel größer, als ich erwartet hatte. Ich blicke fast senkrecht runter und kurz zu Damien hinüber, der mich erschrocken anstarrt. Mit meinem Paddel richte ich das Kajak aus und schreie vor Vergnügen, als ich Fahrt aufnehme und die Welle seitlich absurfe, bis sie mich mit Wucht umwirft.
Kopfüber unter Wasser versuche ich zu rekapitulieren, wie ich die »Rolle« machen kann, um das Boot wieder umzudrehen. In diesem »Playboat« sitzt man fest eingekeilt. Ich trage eine Art »Gummirock«, der die Öffnung, in der ich sitze, hermetisch abschließt. Um wieder Luft zu holen, muss ich also entweder das Paddel und meine Bewegungen so eingrooven, dass ich das Boot herumwälzen kann, oder ich muss das Paddel in eine Hand nehmen, und mit der anderen versuchen, blind den Gummirock zu lösen und mich aus dem Boot zu befreien. Nach zwei gescheiterten Versuchen, die »Rolle« zu machen, gehe ich zu Plan B über. Irgendwie muss ich aus diesem Boot kommen! Schon irre, was man alles denkt, wenn einem die Puste ausgeht. Mir ist klar, dass mein Leben nicht jetzt, in diesem Moment, zu Ende gehen wird – was praktisch ist, denn ohne eine ruhige Hand, würde ich mich nie befreien können. Ich brauche eine Weile, bis ich die richtige Stelle und genügend Kraft gefunden habe, den Gummirock zu lösen, mich aus der Öffnung zu drücken, und meine Beine aus dem engen Innenraum zu manövrieren. Während der ganzen Aktion bin ich schon so nah ans Ufer gespült worden, dass die nächste Welle meinen Kopf auf den sandigen Boden wuchtet. »Wie gut, dass ich nicht Parkie bin«, denke ich noch, als ich mich gen Wasseroberfläche abstoße und kurz darauf tief Luft hole.
Das Boot ist natürlich sofort voll Wasser gelaufen, und es kostet mich alle Kraft, es an den Strand zu ziehen, wo Damien und Parkie bereits angelaufen kommen. Damien fragt mich, ob ich wahnsinnig sei, nicht mal er hätte diese Welle genommen. Und Parkie zeigt mir stolz das Foto, das er genau im richtigen Moment von mir gemacht hat. Ich schaue es mir an und bin trotz meines Adrenalinspiegels etwas enttäuscht. Die Welle wirkte so viel größer, als ich drin war. Trotzdem bin ich überstolz, dass ich mich so gut geschlagen habe. Parkie hat sich inzwischen eines Besseren besonnen und geht nun nicht mehr ins Wasser. Gute Idee.
Auf dem Rückweg bin ich völlig durch gefroren, mit blauen Lippen und Gänsehaut. Wir halten an einem kleinen Café, wo wir uns mit Tee und Scones mit Sahne und Marmelade stärken. Selten hat mir etwas so gut geschmeckt wie in diesem Moment! Ele Jansen
Karte mit Routenverlauf und Etappenbeschreibungen hier.