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Kultur

Gut aufgelegt!

Die Musik-Rubrik

  Gut aufgelegt! | Die Musik-Rubrik

Jede Woche stellt die kreuzer-Musikredaktion neue Musik vor – zum Hören, Tanzen, Schwelgen, Spazieren, Joggen, Arbeiten und mehr. In dieser Woche mit Benjamin Diamond, Masha Qrella und den Manic Street Preachers

Jede Woche stellt die kreuzer-Musikredaktion neue Musik vor – zum Hören, Tanzen, Schwelgen, Spazieren, Joggen, Arbeiten und mehr. In dieser Woche mit Benjamin Diamond, Masha Qrella und den Manic Street Preachers.


Benjamin Diamond – »Cruise Control« (Diamondtraxx)
Benjamin Diamond – »Cruise Control«

Pop as Pop can be. Jaja, Benjamin Diamond ist durch und durch Pop-Musiker. Keine Scheu vor lebensbejahenden Hymnen, vor großen Gesten und einem Tick Pathos. Dennoch ist der Franzose gefeit vor inhaltlicher Banalität und musikalischer Belanglosigkeit. Das gelang ihm komischerweise bereits bei seinen Gast-Auftritten wie dem House-Hit »Music Sounds Better With You«. Seine eigenen Solo-Alben sind eher Rock als House, wenngleich die Elektronik durchaus relevant für den gesamten Sound ist. »Cruise Control«, zu Deutsch »Tempomat«, also die automatische Temporegulierung im Fahrzeug, heißt Diamonds drittes Album. Doch nach Kontrolle und immer gleichem Tempo hört es sich keineswegs an. Vielmehr gibt es den bewährten Mix aus elektrifizierten, schnellen Rock-Songs und herzigen Balladen. Im Mittelpunkt steht natürlich Diamonds Gesang, der von einer immerwährenden Ausgeglichenheit und großem Sanftmut kündet. Selten schafft es eine Männerstimme, so viel Harmonie auszustrahlen, ohne dass die Alarmglocken läuten. Viel Neues bietet »Cruise Control« zwar nicht, aber im aufkeimenden Frühsommer reicht ein solides Pop-Album an der Hand völlig aus. Jens Wollweber


Masha Qrella – »Speak low« (Morr Music)
Masha Qrella – »Speak low«

Man merkt es ja nicht gleich. Zu zart und zu eigen ist Masha Qrellas Stimme, zu poppig-eingängig sind die Melodien. Und doch auf »¬¬Speak Low« finden sich ausschließlich Lieder von Kurt Weill und Frederick Loewe. Dass diese beiden Herren damals emigrierten und daraufhin eine Karriere am Broadway begannen, inspirierte den Popdiskursler Diedrich Diederichsen zu einer Berlin-New York-Reihe im Haus der Kulturen der Welt, zu der er Masha Qrella einlud, Songs der erwähnten Komponisten zu interpretieren. Die Berliner Musikerin nahm die Einladung an und interpretierte die alten Broadway-Stücke auf ihre ganz eigene Weise. Für die, die dieses Konzert verpasst haben oder gut fanden, nahm die Contriva-Bassistin das Ganze jetzt noch mal auf, und herausgekommen ist ihre dritte Solo-Platte, auf der sie in gewohnt ergreifender Weise melancholische Popsongs vorträgt. Lieder, bei denen man nur so traurig wird, dass man sich noch gut dabei fühlt. Hits wie »Speak Low« oder »September Song«, an deren Coverversionen normalerweise Jazzmusiker ihre große Freude haben, legt sie ihren eigenen wärmenden Mantel um. So dass Weill und Loewe sich darin komplett einwickeln können. Muss ja schließlich nicht gleich jeder merken. Juliane Streich Masha Qrella plays Kurt Weill: 12.6., Skala


Manic Street Preachers – »Journal for plague lovers« (Rca Int./Sony Music)
Manic Street Preachers – »Journal for plague lovers«

Ähnlich wie Pink Floyd mit Syd Barrett, verloren auch die walisischen Manic Street Preachers in einem relativ frühen Stadium ihrer Karriere mit ihrem Texter und Gitarristen Richey Edwards einen kreativen Mittelpunkt des Bandgefüges. Und genau wie Pink Floyd, erlebten auch sie ihre Hochphase des Erfolges erst nach jenem Verlust und durch musikalische Neuausrichtung. Nichtsdestotrotz wurde der Verlust des sensiblen, depressiven, seit 1995 spurlos verschwundenen Edwards immer wieder thematisiert. Im neuen Album findet dieser nun durch die ausschließliche Verwendung von Texten, die der Verschollene hinterließ, seinen Höhepunkt. Analog zu ihrer Anfangszeit, wird auch musikalisch wieder mehr Wert auf kurze, knarrzige Songs gelegt. Diese erinnern in ihrer morbiden Energie an »The holy bible«, das letzte Album, das die Band mit Edwards einspielte. Im Vergleich mit jenem 1994 erschienenen Manifest der Verzweiflung, ist »Journal for plague lovers« natürlich um einiges leichter verdaulich, aber dabei durchaus effektiv. Dies ist neben den wie (fast) immer großartigen Melodien von Sänger Bradfield auch der komprimierten Spielfreude der Band geschuldet, die perfekt durch die roh-direkte Produktion des selbsternannten »Nicht-Produzenten« Steve Albini unterstützt wird. Denn auch wenn das Soundgewand nicht den rostig-trockenen Abgrund des oben genannten Opus Magnum erreicht, und die Texte hier weniger abgründige Innenansichten einer verstörten Seele zeigen, ist das Album wohl das beste, weil bewegendste des Trios seit Langem. Und eine würdige Hommage an einen »verlorenen« Menschen und wundervollen Lyriker. Mario Helbig


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