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Kultur

»Es geht um Künstler, die gehört werden wollen«

Patrick Sudarski von der Agentur Wingstop im Interview

  »Es geht um Künstler, die gehört werden wollen« | Patrick Sudarski von der Agentur Wingstop im Interview

Das Szenario wiederholt sich seit Jahren. Vom Herbst bis zum Frühsommer gibt es ein schier überbordendes Angebot an spannenden Konzerten. Allerdings trifft die Leipziger Konzertfanatiker das Sommerloch Jahr für Jahr besonders heftig. Einer der wenigen Veranstalter, die im August die ungeschriebenen Gesetze des Sommerlochs ignorieren, ist Patrick Sudarski, auch bekannt als Sänger von Palestar und A Heart Is An Airport.

Das Szenario wiederholt sich seit Jahren. Vom Herbst bis zum Frühsommer gibt es ein schier überbordendes Angebot an spannenden Konzerten. Allerdings trifft die Leipziger Konzertfanatiker das Sommerloch Jahr für Jahr besonders heftig. Einer der wenigen Veranstalter, die im August die ungeschriebenen Gesetze des Sommerlochs ignorieren, ist Patrick Sudarski, auch bekannt als Sänger von Palestar und A Heart Is An Airport.

kreuzer online: Was ist die Idee hinter Wingstop?

PATRICK SUDARSKI: Es handelt sich um ein Reisemotiv. Ich hab ein Foto von einem Freund in den Staaten gesehen. Darauf stand dieser so prollo-mäßig unter einem neonfarbenen Schriftzug einer Wingstop-Filiale, einer amerikanischen Kette für Chickenwings. Ich dachte mir, das wäre ein schönes Bild für eine Bookingagentur. Natürlich arbeite ich erstmal regional begrenzt. Perspektivisch möchte ich aber auch Bands durch die Gegend schicken. Dann erklärt sich das Bild von selbst.

kreuzer online: Wingstop trägt ja auch den Untertitel »Post-Panam-Productions«? Du knüpfst dabei also bewusst an die Konzerte, die du 2007 und 2008 im Café Panam veranstaltet hast, an?

SUDARSKI: Natürlich geht es mir darum, eine Handschrift zu entwickeln. Vielleicht fand das der ein oder andere ganz gut, was ich im Panam gemacht hab. So hab ich das übertragen.

kreuzer online: War es zum Zeitpunkt der Schließung des Panam sofort klar, dass Du weiter machst?

SUDARSKI: Es war schon klar, dass es weiter gehen soll, aber für lange Zeit nicht, wie und wo. Auf der anderen Seite war das Ende ja auch absehbar. Da im Booking mit einem gewissen Vorlauf gearbeitet wird, muss man natürlich daran denken, wie es weiter gehen könnte. Ich bin also konkret auf Leute zugegangen. Mit dem Paris Syndrom hat es sich dann ergeben, wobei ich gar nicht mehr genau sagen kann, wer zuerst gefragt hat: Das Paris Syndrom mich oder umgekehrt.

kreuzer online: Neben dem Paris Syndrom arbeitest Du auch mit dem Ilses Erika oder der Nato zusammen. Fühlt es sich gut an, als freier Veranstalter mit unterschiedlichen Clubs zu kooperieren?

SUDARSKI: Ja, definitiv. Ich sehe darin einige Vorteile. Es besteht die Möglichkeit, die Band den eigenen Ansprüchen sowie den Läden anzupassen. Ich überlege natürlich, in welchem Laden eine Band am besten passen könnte. Wenn die Betreiber dann mitgehen, ist das super. Bis jetzt funktioniert es auch. In der Nato habe ich noch nicht veranstaltet, aber das fühlt sich im Vorfeld auch extrem gut an. Das wird dann im September Caspian sein – die Band, die das Panam mehr oder weniger den Kopf gekostet hat. Das Konzert wurde damals von der Polizei beendet. Ich bin auf jeden Fall dankbar, dass ich mich nicht auf eine bestimmte Location festlegen muss. Wo es konkret mit den einzelnen Läden hingeht, weiß ich natürlich noch nicht. Dafür mache ich das noch nicht lange genug. Das Paris Syndrom ist auf jeden Fall das Zuhause. Die Abläufe sind klar und es funktioniert menschlich sehr gut. Natürlich ist der Raum speziell.

kreuzer online: Was kannst Du im Paris Syndrom veranstalten, was früher im Panam nicht möglich gewesen wäre?

SUDARSKI: Im Panam musste man ökonomisch und idealistisch zugleich denken. Das geht eigentlich nicht. Der Spagat, über die Konzerte den Laden zu finanzieren und zugleich etwas anzubieten, was einem selber und den Leuten gefällt, war nicht einfach. Hier im Paris Syndrom kann ich Sachen machen, die ich ästhetisch und inhaltlich gut finde. Der Raum verlangt viel vom Zuhörer. Dafür gibt es keine Störfaktoren, Er bietet eine Theateratmosphäre. Gleichzeitig besteht durch die Galerie ein Kunstkontext. Die Leute hören zu. Die Künstler sind sehr dankbar, da es sich bei ihrer Musik meist um ruhigere Sachen handelt, die ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit fordern. So etwas funktioniert eben in einer Punkbutze, in der bei solchen Konzerten oft 50 Leute hinten stehen und laut quatschen, meist nicht. Also ist es ein Privileg für die Leute, die es interessiert, die eben auch bereit sind, zuzuhören.

kreuzer online: Im August ist in Leipzig – im Gegensatz zum Rest des Jahres – fast nichts los. Warum gibt es trotzdem gleich drei Wingstop-Konzerte?

Kommen im August ins Paris Syndrom: Windsor For The Derby
SUDARSKI: Es ist natürlich immer ein gewisses Risiko, im Sommer Konzerte zu veranstalten. Aus meiner persönlichen Erfahrung weiß ich aber auch: Wenn ich in Leipzig bin, bin ich gerade in dieser Zeit extrem dankbar, wenn mal etwas passiert. Meine hinterwitzige Kalkulation ist es, Leute zu bewegen, denen es genauso geht. Du brauchst hier keine 300 Leute, sondern vielleicht 60 oder 70. Dann ist es ein guter Abend. Warum hier im Sommer sonst so wenig passiert, ist schwer zu sagen. Der Studentenanteil ist natürlich sehr hoch. Vielleicht hat es sich für die anderen Veranstalter über die Jahre bewahrheitet, dass es im Sommer einfach nicht geht. Wenn ich jetzt damit auf die Fresse falle, ist es eben so. Ich werde vom Paris Syndrom aber gut unterstützt und deshalb geht das. Es geht ja auch um keine Unsummen. Wenn man eine richtig gute Band wie Windsor For The Derby nur im August haben kann, macht man es halt trotzdem.

kreuzer online: Für die Größe der Stadt ist das Konzertangebot in den letzten Jahren mehr als beachtlich. Wie schätzt Du die Situation in Leipzig generell ein?

SUDARSKI: Es passiert natürlich aus Veranstaltersicht viel, eigentlich zu viel. Es wäre aber genauso albern und verkehrt, mich darüber aufzuregen, da ich selbst Teil des Szenarios bin. Es ist auf jeden Fall eine schwierige Situation. Was das Programm der Clubs betrifft, versuche ich, mit meinen Konzerten nicht deren Programm zu torpedieren, sondern eine zusätzliche Facette zu bieten.

kreuzer online: Welche Facette sollen die Wingstop-Konzerte bieten?

SUDARSKI: Es geht schon um Sachen, die ich persönlich sehen will, aber auch um Trends. Aber was sind Trends? Es geht mir definitiv nicht um irgendeinen NME-Hype-Shit, sondern um Künstler, die gehört werden wollen. Oberste Priorität ist das Bauchgefühl. Natürlich hängt es auch davon ab, was zu welchen Konditionen angeboten wird. Ich hab ein bisschen das Glück, dass ich mit den Konzerten, die ich im Paris Syndrom veranstalte, eine bestimmte Nische bediene, die es sonst nicht gibt.

kreuzer online: Du bist selbst Musiker. Welche Vorteile bringt das für dich, wenn Du als Veranstalter agierst?

SUDARSKI: Ich denke, dass man besser auf die Befindlichkeiten der Künstler eingehen kann. Mit Anfang 20 war ich ja selbst eine Diva, jetzt wahrscheinlich nicht mehr. Ich denke, dass man die Künstler besser versteht, auch wenn es um Dinge geht, die in dem Moment für Außenstehende total albern wirken. Wenn man selbst Musiker ist, entspannt man die Situation. Touren ist stressig, der Alkohol tut sein Übriges dazu und da kann man schon total gereizt sein. Es schadet nicht, wenn man da gut gelevelt ist. Man geht weder geduckt noch von oben heran. Ich hab Respekt davor, was Künstler machen. Ich sehe sie aber nicht als Sternchen an. Es ist definitiv kein Nachteil, wenn man so an die Sache heran geht.


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