Julius Fischer und Christian Meyer sind mit ihrem Literatur-Quatsch-Musik-Duo The Fuck Hornisschen Orchestra auf kleiner Welttournee und berichten exklusiv für kreuzer online von ebenjener. In gesprächsähnlichen Kaskaden schildern sie dabei jeden Dienstag ihre Eindrücke und Erfahrungen der vorangegangen Woche. Dieses Mal geht es um intime Momente mit einem verhaltensgestörten Hund, erste Ermüdungserscheinungen inklusive Tourstreitpremiere und natürlich um Natur in Gestalt eines Riesengletschers
Julius Fischer und Christian Meyer sind mit ihrem Literatur-Quatsch-Musik-Duo The Fuck Hornisschen Orchestra auf kleiner Welttournee und berichten exklusiv für kreuzer online von ebenjener. In gesprächsähnlichen Kaskaden schildern sie dabei jeden Dienstag ihre Eindrücke und Erfahrungen der vorangegangen Woche. Dieses Mal geht es um intime Momente mit einem verhaltensgestörten Hund, erste Ermüdungserscheinungen inklusive Tourstreitpremiere und natürlich um Natur in Gestalt eines Riesengletschers.
Die erste Woche steckte uns an unserem Day Off sehr in den Knochen. Nach einem ausgiebigen Frühstück im Haus III&70 nebst Wespen, die rohen Schinken verputzten und fighteten wie kleine Königstiger, gingen wir in Hamburg ausgiebig shoppen.
Christian: Da hab ich mir glatt ne echte Cheerleaderjacke gekauft ...
Julius: Ich habe mir Schuhe gekauft und eine Hose, ihr Heinze ... Denn wir waren in den letzten Tagen zu sehr reichen Männern geworden. Nichtsdestotrotz mischten wir uns unters Volk, bei einem Weinchen sahen wir an unserem ersten freien Abend seit einer Woche ein paar Großstadtjugendlichen zu, die auf einem Spielplatz NPD-Plakate verbrannten. Es war kein großes Feuer, denn es gibt in Hamburg nur etwa 2 NPD-Plakate, da hätten sie in Pirna auf jeden Fall mehr zu zündeln gehabt.
Egal, die zweite Septime begann mit einem Konzert im schmucken kleinen »Prinz Willy« im schmucken großen Kiel. Der Laden passte zu uns wie kein Zweiter, es war ein in Ordnunger Auftritt. Bis jetzt im übrigen der einzige mit Rezension, welche mit vielen Kunstworten wenig sagt. Im Prinzip so wie wir. Voll war der Laden nicht, aber wer wären wir, wenn nicht die, die das abkönnten. In Lüneburg spielten wir dann in der Wunderbar im Prinzip vor Christians Familie.
Christian: Das war ein ganz okayes Konzert. Nur die Leute: Wenn die anfangen zu quatschen, da krieg ich einfach nen Hals. Das ist so was von respektlos, dass mir der Wutsabber jedes Mal über die Lefze schnalzt. So war ich unbeleidigend aggressiv, aber habe viele alte Freunde getroffen. Aber dann waren wir bei meinen Eltern, die haben jetzt einen Hund, Spike. Ein bissl verhaltensgestört, aber so liebesbedürftig, dass man nicht anders konnte, als ihn immer wieder zu streicheln. Ich hab mich dann, als ich müde war, einfach in den Flur gelegt und er kam in meine Arme.
Julius: Das war Christians erster intimer Moment der Tournee.
Christian: Aber am nächsten Morgen troffen die Abschiedstränen ...
Julius: ... wie Fälle aus purpurnem Regen ...
Christian: ... wie der Saft von tausend Löwenzähnen ...
Julius: ... wie das Öl aus fünfzig Motorsägen.
Christian: Doch es gab keinen Weg zurück ...
Julius: ... denn es ging nach Osnabrück.
Christian: Osnabrück ist eine schöne Stadt, sehr zerbombt im Kriege und von Unästheten wieder aufgebaut – nur ein, zwei Viertel knuspern noch vor wiedererstandener Geschichte: Rathaus, Dom, Ledenhof und die kleine Altstadt ... zauberhaft!
Julius: Und es gibt übermäßig viele moderne Kunstwerke auf den Strassen, wie zum Beispiel jenes, vor welchem Christian da posiert. Die Situation auf der Fotografie beschreibt Osnabrück aufs Trefflichste.
Christian: Der erste Eindruck der Osnabrücker Bewohner war jedoch recht merkwürdig. Wir wurden bis auf die Knochen angestarrt. Nach einer Frage unsererseits pausierten die Geräusche des Raumes und ein Starren stelte (neues Lexem: Ein Starren wie Stelen) sich ein, bis wir hübsch knackige Antworten, wie zum Beispiel »Ja« oder »Nein« bekamen. Die ersten zehn Menschen haben so auf uns reagiert.
Julius: Christian trägt ja ganz gerne mal wild, vor allem mit seiner neuen Jacke lässt er Augen tränen, aber das konnte es nicht sein ...
Christian: Es war einfach der Osnabrücker an sich. Sehr herzlicher wurde der Umgang dann auch kaum. Doch dann kam unser Auftritt beim Poetry Slam. Enorm voll und enorm voller Lust stand diese Kneipe und wir begannen und endeten und es war eine Party der Welt!
Julius: Die Leute rasteten aus, als wären wir Peter Doherty oder so.
Christian: Ja, das hat Spaß gemacht. Ich habe, während der Poetry Slam lief, im Backstage Miss Undercover 2 geguckt, während Julius mit seinem Slammerkollegen rumblödelte.
Julius: Ich bin da eben mehr der soziale Typ, du homophobe Schabe!
Christian: Nach dem Trubel mit Autogrammen (ist das nicht hyper 1995?) ohne Ende und ständigem »Mal mir doch n Baum rein!« spazierten wir zum am Ende der Innenstadt gelegenen Hostel und nach schweißtreibendem 3-Stockwerke-Koffer-Hochgezerre fanden wir uns in einem Zimmer wieder.
Julius: Zimmer ist übertrieben ...
Christian: Gut, in einer Kammer mit zwei »Betten« ohne Bettzeug, also roh. Hier vielleicht ein kleiner Schnappschuss ...
Julius: Es wurde uns bewusst, dass wir doch noch nicht die Stars waren, die wir glaubten zu sein. Ganz anders in Marburg. Wir wurden empfangen wie die reinen Messien (Plural von Messias). In Marburg waren wir sowohl Moderatoren eines Poetry Slams, den wir wie gewohnt unter einigen Zuschauer- und Jurybeschimpfungen über die Bühne des Café Trauma schaukelten (unter der Wirkung einer kleinen Flasche Jägermeister stehend, die ich einem Jungfernabschied für 5 Euro abgekauft hatte), als auch die Live-Performance der Aftershow-Party. Nach dem Dichterwettstreit traten wir also als Musikgruppe in einem Tanzlokal auf, in dem die Teilnehmer und Zuschauer den Abend stimmungsvoll ausklingen ließen (um mal ohne Anglizismen auszukommen).
Christian: Allerdings war das erste Mal so etwas wie Ermüdung bei uns beiden zu spüren. Ein kleiner Streit, ein paar Verletzungen wechselten den Besitzer – doch so etwas gehört ja auch dazu.
Julius: Wer sich nicht streitet, ist einander egal.
Christian: Und das sind wir ja uns nun wirklich nicht. dass es irgendwann passieren würde, war klar. Manche benutzten dafür das moderne Wort »Tourkoller«, wir benutzten »Bourgois« und beruhigten uns wieder ...
Julius: Ordentlich verfeiert und -katert ging es am nächsten Tag in die Schweiz. Dort durften wir zuerst am Samstag in Baden nordwestlich von Zürich, dann um 12 Uhr mittags am Sonntag in der deutsch-französischen Schweiz in Biel bzw. Bienne, und Sonntag Abend in Olten musizieren.
Christian: Ausser, dass das Publikum nur semimassig (kein Tippfehler, Anm. d. Red.), uns aber dennoch sehr wohlgesonnen war, und wir das Flair dieser traumhaften Städte und Landschaften in uns aufgesogen haben, wie die Luft nun mal gut ist, und wir in Olten mit dem tollen Renato Kaiser aufgetreten sind, und alle enorm lieb waren, war es wirklich unbeschreiblich. Es ist Urlaub.
Julius: Neee!
Christian: Gut, wir schleppen jeden Tag etwa 100 Kilo von A nach B und zurück, aber es ist schon schön in der Schweiz und die reden so lustig.
Julius: Versuch nicht schon wieder, das Schwyzerdütsch zu kopieren.
Christian: No, chedenfolls sächte öns dür Voronsschtolterrr ...
Julius: AAAAHHHH!!!
Christian: Ja, ja! Das Konzert am Montag fiel von Seiten des Veranstalters aus – ein Schussel war vielleicht am Werke und deshalb beschlossen wir, für 2 Tage mal richtig zu urlauben.
Julius: Christian schlug Interlaken vor und ich fand’s gut.
Christian: Oh ja, es ist ein Traum. So waren wir am Montag schön ausflugsmäßig in Grindelwald, nachdem wir ne schnieke Herberge gefunden hatten, und bestaunten die richtigen Berge!
Julius: Nicht der lächerliche Jura in der Nordschweiz!
Christian: Nein ...VIERTAUSENDER und GLETSCHER!!!!!!!
Julius: Oh ja, Naturgenuss pur ...
Christian: ... und die Luuuft!
Julius: Wir denken nicht eine Sekunde daran, dass wir gerade erst die Hälfte unserer Tournee hinter uns haben! Wir sind verrückt!
Christian: Aber es gibt immer Dinge zum Freuen. So stellten wir gerade fest, dass Oktoberfest ist, wenn wir in München sind ...
Julius: Jahaaaaa ...
Christian: Dies ist noch lange nicht das Ende!
Julius: Das ist erst die Mitte!
Beide: Und uns geht’s fantastisch!