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Kultur

Studentenfilme im Volksmusiksender

Prestigeobjekt und Alibi: Unicato ist das studentische Filmmagazin im MDR Fernsehen

  Studentenfilme im Volksmusiksender | Prestigeobjekt und Alibi: Unicato ist das studentische Filmmagazin im MDR Fernsehen

Für einen Fernsehkanal, den man als Volksmusiksender verspottet und dessen Zuschauer durchschnittlich sechzig Jahre auf dem Buckel haben, ist dieses Format eine kleine Sensation. Schon seit über drei Jahren hat das studentische Filmmagazin Unicato seinen festen Platz im MDR.

Für einen Fernsehkanal, den man als Volksmusiksender verspottet und dessen Zuschauer durchschnittlich sechzig Jahre auf dem Buckel haben, ist dieses Format eine kleine Sensation. Schon seit über drei Jahren hat das studentische Filmmagazin Unicato seinen festen Platz im MDR.

Jeden Monat präsentiert es an einem Mittwoch zwischen zwölf und ein Uhr nachts ohne Moderation Kurzfilme von mitteldeutschen Hochschulstudenten. Ein Projekt mit enormem Potenzial – sowohl für die überfällige Verjüngungskur des Senders als auch für den vernachlässigten Filmemachernachwuchs in einer Region ohne Filmhochschule. Ein Potenzial, das noch lange nicht ausgeschöpft ist. »Ich kenne WGs in ganz Deutschland, die sich regelmäßig unsere Sendung angucken«, freut sich Juliane Fuchs vom Unicato-Team an der Bauhaus-Universität Weimar. »Auch von Rentnern werde ich darauf angesprochen.« Über acht Prozent Marktanteil fährt Unicato zu Spitzenzeiten ein – allerdings zu einer Uhrzeit, zu der sogar Studenten meistens schlafen.

»What to drink« von Nancy Brandt und Thomas Doberitzsch (HTWK)
»Unicato ist eine große Chance für junge Filmemacher, weil dort oft Beiträge zu sehen sind, die das Fernsehen sonst nie aufkaufen würde«, lobt der Leipziger Kameramann und Produzent Thomas Doberitzsch die Sendung. Kürzlich hatte dort der Dokumentarfilm »What to drink?« über einen kroatischen Lebenskünstler seine Erstausstrahlung, den er und Nancy Brandt vor sechs Jahren als HTWK-Studenten gedreht hatten.

Knapp 180 Filme quer durch alle Gattungen und Genres hat Unicato in seinen ersten drei Jahren gezeigt. Nicht alles davon ist gut, aber aufregend anders. Auffällig dabei ist die Weimar-Dominanz; denn obwohl aus Halle, Leipzig und Erfurt rege Filme eingereicht werden, stammt die Hälfte aller Beiträge von der Bauhaus-Uni und nur ein Zehntel aus Leipzig. Gründe dafür gibt es verschiedene. Zum einen ist der Output praktischer Arbeiten in Weimar schlichtweg viel höher als in Leipzig. Die HGB verweigert sich geradezu einer stärkeren filmischen Ausrichtung – zum Leidwesen vieler Studenten. Auch um die HTWK als Filmproduktionsstätte ist es still geworden, obwohl durch das neue Medienzentrum ein hochmodernes Studio zur Verfügung steht.

»Der Dinggang« von Ulrike Friedrich (HGB)
Überschaubar ist ebenso der Output der Uni Leipzig mit ihrem Journalistik- oder Medienwissenschaftsinstitut. Außerdem sind deren Filme meist dokumentarische. »Da haben die vielen Animationsfilme aus Weimar einen klaren Formatvorteil«, sagt Medienprofessor Rüdiger Steinmetz, »weil sie häufig nicht nur bunter und fröhlicher, sondern auch kürzer sind und somit viel mehr Beiträge in einer Sendung Platz finden.« Steinmetz gehört dem Hochschulbeirat von Unicato an, der sich aus je zwei Professoren der drei mitteldeutschen Länder zusammensetzt. Die Hauptverantwortung für die Sendung liegt – trotz des großen Engagements einiger MDR-Verantwortlicher – nicht etwa beim Funkhaus, sondern bei der Bauhaus-Uni, beim Projektleiter Professor Wolfgang Kissel und bei Lehrkräften wie Juliane Fuchs. Die Gestaltung der einzelnen Sendungen übernimmt eine Gruppe von Studenten.

»Die Akquise neuer Filme ist gar nicht so einfach, auch deshalb zeigen wir vieles aus Weimar«, sagt Juliane Fuchs. »Einreichungen sind uns immer willkommen!« Steinmetz denkt zur Lösung des Ungleichgewichts über eine Rotation des Organisationsteams nach: »Dadurch würden andere Hochschulen den Sendungen andere Schwerpunkte geben und damit Filme aus anderen Städten in den Vordergrund rücken. Ob woanders die Organisation aber genauso stark wäre wie jetzt, ist ungewiss.« Einiges hat sich bei Unicato bereits verändert. So wurde das mickrige Honorar aus Anfangszeiten aufgestockt. Je nach Länge gibt es nun 100 bis 1.500 € pro Film – für einen Zehnminüter sind das trotzdem nur 250 €. Hinzu kommen immerhin jeweils 1.000 € für jährlich sieben Preisträgerfilme.

»Aufschluss« von Patrick Feller und Timo Gramer (FAM/Uni Leipzig)
Der HGB-Absolvent Hein-Godehart Petschulat war 2007 einer der Gewinner – und trotzdem nicht sonderlich glücklich. Grund dafür waren die unsäglichen Vertragsbedingungen, die die Filme noch bis vor kurzem wie Nachrichtenbeiträge behandelten und nicht wie kleine Kunstwerke. Ein solches ist Petschulats Experimentalfilm »Still« tatsächlich: Fünf Minuten sieht man Ulrich Wickert im Tagesthemen-Studio in die Kamera gucken – und schweigen. Nach Petschulat sollte Unicato nur ein kleiner Anfang sein: »Bisher macht diese riesige Anstalt MDR für den Filmnachwuchs viel zu wenig. Kein Wunder, dass die wirklich interessanten Sachen kaum noch im Fernsehen laufen.«

Auch Steinmetz gibt sich kritisch: »Unicato ist ein Prestigeobjekt, aber auch ein Lückenfüller, ein Billiglieferant, ein Alibi.« Wenn der MDR wirklich was für den Filmnachwuchs tun und sich gleichzeitig verjüngen will, dann sollten – so sein Vorschlag – Kurzfilme wie die von Unicato in kleinen Dosen übers ganze Programm verstreut werden. Das wäre doch mal was.


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