Erst gab es einen langen grellen Lichtstrahl, dann blieben die Uhren stehen. Seither ist jeder Tag grauer als der vorherige. Nach einer globalen Katastrophe liegt die Welt im Sterben: Die Vegetation ist zerstört, die Tiere sind ausgestorben. Erdbeben und Eiseskälte bestimmen den Tagesablauf. Der Kampf ums nackte Überleben hat begonnen. "The Road" läuft seit Donnerstag in der Schauburg. Eine Rezension unserer Filmredakteurin Eileen Reukauf.
Erst gab es einen langen grellen Lichtstrahl, dann blieben die Uhren stehen. Seither ist jeder Tag grauer als der vorherige. Nach einer globalen Katastrophe liegt die Welt im Sterben: Die Vegetation ist zerstört, die Tiere sind ausgestorben. Erdbeben und Eiseskälte bestimmen den Tagesablauf. Der Kampf ums nackte Überleben hat begonnen.
Es gilt das Gesetz des Stärkeren. Durch diese trostlose Welt bahnt sich ein Vater mit seinem Sohn den Weg Richtung Süden in der Hoffnung, dort etwas zu finden, das ein Leben wieder lebenswert macht. Ihre wenigen Besitztümer schieben sie in einem Einkaufswagen vor sich her – stets auf der Hut vor bewaffneten, kannibalischen Banden. Der Vater ist krank und weiß, dass seine Tage gezählt sind. Doch die unabdingbare Liebe zu seinem Jungen treibt ihn vorwärts. Und doch: Während des langen, mühsamen Marsches durch eine Aschewüste bereitet er den Sohn auf das Leben ohne ihn vor.
John Hillcoats Adaption des preisgekrönten Endzeitromans von Cormac McCarthy gibt dem Grauen ein allumfassendes Gesicht – in beeindruckenden, verstörenden Bildern. Wo McCarthys spröder Stil und die bewusst gesichtslos gehaltenen Charaktere dem Zuschauer Platz für eigene Vorstellungen lassen, setzt der Film die Verwüstung in Szene und gibt der Gottverlassenheit glaubhaft Antlitz.
Bei der Suche nach Drehorten orientierte sich das Filmteam an realen Naturkatastrophen und anderen, von Menschenhand heraufbeschworenen Desastern – wie dem von Hurrikan Katrina gezeichneten New Orleans oder den verlassenen Kohle-Minen in Pennsylvania. Cormac McCarthy bleibt in seiner Vorlage mehrdeutig, wenn nicht gar restlos offen bezüglich des Ursprungs des Weltbrandes. Deswegen bot sich dem Filmteam die Möglichkeit, das Desaster ökologisch umzudeuten und so mit ausreichend Nährboden für eigene Reflektionen zu versehen.
»The Road« überzeugt vor allem durch die enorme Präsenz Viggo Mortensens, dessen psychischer Ausnahmezustand und schauspielerische Leistung Eins werden – ablesbar im ausgemergelten Gesicht, dem behäbig, sich müde schleppenden Gang und der bedrückten Haltung. Das Grauen der Außenwelt wirft mehr und mehr Schatten auf seine Innenwelt und verfinstert die Seele. Um so rücksichtsloser und aggressiver verteidigt er das Kostbarste, was er noch hat, das Leben seines Sohnes – und nähert sich dabei dem Verhalten jener Verwahrlosten an, die Jagd auf ihn und den Jungen machen.
Dieser bekommt zunehmend Zweifel am Verhalten des Alten. Ist er nicht längst zu dem geworden, wovor er sich zu verteidigen sucht? Stets fragt der Kleine: »Sind wir immer noch die Guten?« und der Vater versichert: »Das werden wir immer sein.« Inmitten dieses postapokalyptischen Horrorszenarios blitzen dabei immer wieder Funken naiver Menschlichkeit auf. Etwa wenn ein alter Mann den Weg der beiden kreuzt und das unbefangene Gespür des Kindes den Vater belehrt, dass es noch Menschen gibt, die nicht verroht und seelenlos sind.
Und doch bleibt die Frage, ob es nicht konsequent gewesen wäre, mit der Katastrophe auch selbst unterzugehen. Entschieden und endgültig. Denn: Wo keine Hoffnung, da kein Ausweg mehr. Auch keine Straße. Und vielleicht hallen die Bilder deshalb solange nach, weil man am Ende der Straße direkt in den Abgrund geblickt hat.