Die Pop Up X ist Geschichte – ob eine positive oder eher nicht, liegt im Auge des Betrachters. Ohne Messe war das diesjährige Musikfestival jedenfalls weniger Anlaufpunkt für die bundesweite Independent-Szene als vielmehr Treffpunkt für lokale Musikfreunde. Und doch zogen die Veranstalter eine positive Bilanz. »Mit circa 2000 Besuchern wurde das Musikfestival vom Publikum sehr gut angenommen«, vermeldeten sie, was unsere Autorin subjektiv anders wahrnahm.
»Könnt Ihr davon leben?« Gleich der Einstieg zur Pop Up X bringt die immer wiederkehrende Frage nach dem Lohn für all die Mühen auf den Punkt. Die zwei Labelbetreiber auf der Podiumsdiskussionsbühne können es nicht. »Vielleicht irgendwann mal«, sagt Andreas Bischof vom Leipziger Label Analogsoul. Gregor Samsa von Sounds of Subterranea hat dem Geld seine Bedeutung längst schon abgesprochen. »Wenn ich ein Konzert sehe, bin ich glücklich. Hätte ich mehr Geld, würde ich es doch nur für Scheiße ausgeben.«
Dass Konzerte glücklich machen, darauf setzten dieses Jahr auch die Pop-Up-Veranstalter. Denn die Messe tut es scheinbar nicht mehr. Wegen zu weniger Anmeldungen sahen sich die Veranstalter dieses Mal und zum ersten Mal in zehn Jahren gezwungen, die Messe abzusagen. »Wir konzentrieren uns jetzt wieder auf das, um was es ja ursprünglich geht und immer ging: Die Musik«, hatten sie notgedrungen erklärt und sich als Ziel gesetzt, einfach ein schönes Festival zu machen. Mit noch recht unbekannten Bands wie den Isländern Retro Steffsen, den langhaarigen Crystal Fighters oder dem Berliner Electropop-Trio Me Succeeds. Und natürlich, Animal Collective.
Blöd nur, dass dieses Last-Minute-Booking der Hype-Band nicht mehr im Festivalticket enthalten war. So war das UT Connewitz am Samstag zwar ordentlich voll (und dessen Publikum sah ein sehr ungewöhnliches, anstrengendes und doch faszinierendes Konzert der amerikanischen Psychedelica-Avantgarde-Indie-Helden), der Rest der Veranstaltungen dagegen nicht. Die frühere Reichweite über Leipzigs Stadtgrenzen hinaus und in die gesamte Independent-Szene der Republik hinein, die die Pop Up als wichtigster Branchentreff jenseits des Mainstreams in den letzten zehn Jahren hatte, wurde so nicht erreicht.
Und doch zogen die Pop-Up-Macher positive Bilanz. »Mit circa 2000 Besuchern wurde das Musikfestival vom Publikum sehr gut angenommen«, vermeldeten sie, was die Autorin subjektiv anders wahrnahm, während sie in der am Freitag Abend nicht mal halb vollen Halle D über die Freaks von Crystal Fighters staunte. Auch beim Konzert der Hallenser Punkband 206 eher verhaltenes Interesse. »Was schaut ihr alle so desillusioniert? Das hier ist 2011«, brüllt der Sänger ins Publikum des Ilses Erika, welches mit verschränkten Armen seinen intelligenten Wutausbrüchen folgte.
Er ist damit ein Gegenbeispiel zur gängigen These, die Jugend trage heute keinen Hass mehr in sich, die auf dem Panel »Hyperschrei und Drei-Faltentum« von vier Herren im längst schon nicht mehr jugendlichen Alter und einem Mittzwanziger diskutiert wurde. Lehre daraus: Erwachsenwerden in der Popkultur funktioniert scheinbar ganz gut, wenn man inzwischen ungestraft sagen kann, man sei deshalb ein Punk, weil man keinen Bausparvertrag hat.
Allein wegen dieser Momente auf ihren Panels und weiteren dort geäußerten Thesen wie »Die CD ist nur noch ein Merchandise-Artikel für die Tour« oder »Das Internet ist das neue Feuilleton« unterscheidet sich die Pop Up dann auch in ihrer zehnten Ausgabe noch von einem herkömmlichen Musikfestival, wie es inzwischen an jeder Ecke stattfindet. Bleibt daher zu hoffen, dass sich auch nächstes Jahr wieder Leute finden, die von all dem nicht leben können, aber die es glücklich macht. Sie und vielleicht auch mehr als ein paar Konzertbesucher.