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Kultur

»Ich habe gerade eine Muse verschlissen«

Interview zur Literaturreihe »Der durstige Pegasus« am Montag in der Moritzbastei

  »Ich habe gerade eine Muse verschlissen« | Interview zur Literaturreihe »Der durstige Pegasus« am Montag in der Moritzbastei

Elia van Scirouvsky, geboren 1970 im erzgebirgischen Marienberg, lebt als freier Autor in Leipzig. In seinen Gedichten und Kurzgeschichten geht es um Schauerliches (»Gesänge der Finsternis«) und Erotisches (»Ach du meine Nase«). Seit Anfang letzten Jahres moderiert er als Nachfolger von Volly Tanner die Literaturreihe »Der durstige Pegasus«. Außerdem ist er stellvertretender Vorsitzender der sächsischen Abteilung des Verbands deutscher Schriftsteller.

kreuzer: Du kommst ursprünglich aus dem Erzgebirge. Was hat dich nach Leipzig verschlagen?

Elia van Scirouvsky: Das Studium hat mich nach Leipzig verschlagen. Ich habe seit 2002 Philosophie und Germanistik auf Lehramt studiert. 2008 habe ich mit dem ersten Staatsexamen abgeschlossen, aber leider in Sachsen keine Referendariatsstelle bekommen. Ich wollte aber unbedingt in der Stadt bleiben und habe beschlossen, dass Leipzig Lebensmittelpunkt bleibt, egal was kommt.

kreuzer: Wie schätzt du die Leipziger Literaturszene ein?

van Scirouvsky: Sie ist sehr rege und vielschichtig. Es gibt die freie Szene, in der sich sehr viel bewegt. Ohne Fördermittel werden dort Lesungen organisiert. Es gibt verschiedene Lesebühnen und auch in der Hochkultur sehr viele Möglichkeiten, Lesungen mitzunehmen. Donnerstag ist ein üblicher Lesetag im Helheim, Volly Tanner macht verschiedene literarische Geschichten, und sonntags findet die Lesebühne »Texte an der Theke« statt, die Henner Kotte alle 14 Tage moderiert. Wenn man also richtig hinschaut und durch die Stadtmagazine stöbert, findet man viel.

kreuzer: Woher nimmst du deine Inspiration?

van Scirouvsky: Die Umgebung ist extrem wichtig. Leipzig hat mich sehr stark inspiriert. Ich komme aus einer kleinen Stadt im Erzgebirge, wo die Uhren etwas anders ticken. Das habe ich an meinen Texten gemerkt. Als ich nach Leipzig gekommen bin, habe ich eine gewisse Eingewöhnungszeit gebraucht. Ich merke aber, dass die Möglichkeit, abends in eine Kneipe zu gehen oder sich nachmittags in ein Straßencafé zu setzen, sehr anregend für mich ist. Ich beobachte sehr gern Leute. Aus der Beobachtung kommen Impulse, die für ein neues Gedicht reichen. Das Erzgebirge hat einen gewissen morbiden Charme, der sich in meinen Texten, die schon von Grund auf sehr melancholisch sind, niedergeschlagen hat. Leipzig hingegen ist das pulsierende Leben mit sehr vielen jungen Menschen, die immer neue Ideen in diesen Schmelztiegel bringen. Und natürlich ist die Hauptinspiration eines Dichters »Weib, Wein und Gesang«. Ich habe gerade eine Muse verschlissen, bin auf der Suche nach einer neuen. Die Frauen, die mich umgeben, brauche ich immer als Inspirationsquelle.

kreuzer: Hat sich in Leipzig dein Schreiben verändert?

van Scirouvsky: Ja, mein Schreiben hat sich durch Leipzig tatsächlich verändert. Ich musste mich erst einmal daran gewöhnen. Es war eine Umstellung für mich. Jetzt kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass ich in Leipzig angekommen bin, auch schriftstellerisch, und ich werde das natürlich in meinen Werken zum Ausdruck kommen lassen.

kreuzer: Die Literaturreihe »Der durstige Pegasus« hat eine lange Tradition. Wie hat sich sein Programm über die Jahre entwickelt?

van Scirouvsky: Es ist die älteste Lesereihe auf dem europäischen Festland. Seit 1974 gibt es sie durchgängig in der Moritzbastei. Nach zehn Jahren Volly Tanner haben Norbert Marohn und ich den Pegasus übernommen und mussten auch etwas am Konzept ändern. Jeder bringt sich selbst ein. Bei meinem Hintergrund mit dem Studium der Germanistik gehe ich anders an die Texte heran, versuche aber trotzdem das Entertainment eines Volly Tanner nicht aus dem Pegasus wegzulassen. Diesmal habe ich mir gute Freunde eingeladen, die in Leipzig selbst Lesebühnen moderieren. Das sind Sara Fromm und Annett Wagner von der »Kneipenlyrik«, Volly Tanner von »Tanners Terrasse«, Henner Kotte von »Texte an der Theke« und Markus Böhme von der Helheim-Lesebühne. Auf diesen Bühnen bin ich selbst immer gern zu Gast und lese dort ab und zu. Diese Leute möchte ich mir zum Pegasus einladen, damit auch sie die Chance haben, ihre Lieblingstexte oder ihre eigenen Texte vorzustellen, und natürlich untereinander ins Gespräch kommen. Die Leute können miteinander, sie respektieren sich, arbeiten nicht gegeneinander. Das halte ich für extrem wichtig, denn Leipzigs Literaturszene ist überschaubar, und man sollte tunlichst darauf achten, dass man nicht gegeneinander arbeitet, sondern Hand in Hand und mit einem gewissen gegenseitigen Respekt.


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