Mit ihrem Buch »Kinderkacke« sorgten Julia Heilmann und Thomas Lindemann für Aufsehen: wegen der schonungslosen Schilderungen der Schattenseiten, die ein Elternalltag mit sich bringt. In ihrem neuen Buch »Babybeschiss« enttarnt das Autorenpaar die bunte Palette an unnötigen Babyaccessoires, der Eltern nur schwer widerstehen können.
kreuzer: Frau Heilmann, was war Ihre sinnloseste Anschaffung?
JULIA HEILMANN: Völlig überflüssig fanden wir den Dampfsterilisator, mit dem man Milchfläschchen sterilisiert. Das kann man nämlich in jedem Kochtopf machen. Was wir auch ziemlich sinnlos fanden, waren Schnabeltassen und Trinklernbecher. Es gibt da ja die wildesten Designs: mit Halterungen und ohne, mit verschiedenen ergonomisch gebogenen Schnäbeln. Wir haben irgendwann bei Freunden gesehen, dass die ihren Kindern einfach kleine Gläser gegeben haben – noch nicht mal aus Plastik. Da haben wir gedacht: »Das geht ja auch!« Manches lernt man eben auch von anderen Eltern.
kreuzer: Vom staubsaugerbetriebenen Nasenschleimabsauger bis zu speziellem Babytrinkwasser haben Sie in Ihrem Buch etliche Produkte als unnütz enttarnt. Was hat Sie in puncto Dreistigkeit am meisten beeindruckt?
HEILMANN: Eindeutig das Babytrinkwasser und das Meerwasser-Nasenspray. Da waren wir wirklich schockiert. Wir haben mit Wissenschaftlern gesprochen, die bestätigt haben, dass kein Baby spezielles Wasser braucht, dass man einfach Leitungswasser nehmen kann. Im Fall von Meerwasser-Nasenspray ist das Dreiste, dass es viel teurer ist und trotzdem das Gleiche enthält wie Nasentropfen für Erwachsene.
kreuzer: Wir Leipziger wundern uns seit der letzten Designers’ Open über eine neue Erfindung: den Babyprotector, ein Gestell, das ein Baby im Tragetuch während des Fahrradfahrens schützen soll. Auch so ein Fall?
HEILMANN: Das Ding mag vielleicht stabil sein, aber ich selbst würde mich niemals mit einem Baby im Straßenverkehr auf dem Fahrrad bewegen.
kreuzer: Warum setzt bei uns Eltern anscheinend der Verstand aus, wenn es um Anschaffungen für unsere Kinder geht?
HEILMANN: Man bekommt ein Kind, und plötzlich tritt man in die wundersame Warenwelt für Babys ein. Und alles sieht so schön aus. Es ist sehr verführerisch, man ist ahnungslos, und erst wenn man dreimal nachgedacht hat, kommt man zu dem Schluss, dass man es eigentlich nicht braucht. Wir selbst haben zum Beispiel nicht hinterfragt, ob man einen Wickeltisch braucht. Wir haben erst im Laufe der Jahre gemerkt, dass man sein Kind auch auf dem Bett wickeln kann. Dann hat man dieses Monstrum da nicht stehen, und außerdem ist die Gefahr gebannt, dass das Kind vom Wickeltisch stürzt.
kreuzer: Spätestens in der Schule werden die Kinder hinterrücks mit Werbung konfrontiert. Wie kann man der Werbefalle entkommen?
HEILMANN: Wir haben zwar noch keine Schulkinder, aber andere Eltern haben uns erzählt, dass Werbung in der Schule immer aggressiver wird: Ständig bekommen die Kinder irgendwelche Zettelchen angedreht. Es fängt schon sanft in der Kita an, dass zum Beispiel Firmen wie Lego etwas sponsern.
kreuzer: Liest man Ihre Bücher, hat man das Gefühl, sich mit guten Freunden auszutauschen. Sie geben sehr viel Persönliches von sich preis, macht das Ihren Erfolg aus?
HEILMANN: Wir wollten unbedingt, dass sich Eltern in unseren Büchern wiederfinden können. Aber es gibt neben dem unterhaltsamen Aspekt auch eine ernste Seite in den Büchern. Wir wollten mit dem zweiten Buch vor allem aufklären und Anstoß zum Reflektieren geben. Daher haben wir auch Themen wie das Einfrieren von Nabelschnurblut aufgegriffen. Das sind Themen, die man zwar kennt, wenn man ein Kind bekommt. Aber Eltern hören da auch schnell auf zu recherchieren. Uns hat es interessiert, noch mal genauer nachzufragen und auch Ärzte zu bestimmten Themen zu befragen. Vieles wussten wir so vorher auch nicht, und deshalb haben diese Themen für Eltern einen Erfahrungswert.
kreuzer: Welche Reaktionen gab es auf Ihr Buch »Kinderkacke«?
HEILMANN: Die Reaktionen waren divers: von Hassattacken, dass wir Rabeneltern und Alkoholiker seien und dass man uns unsere Kinder gerne abnehmen würde bis hin zu überschwänglichem Lob. Viele Leute haben sich gefreut, dass jemand so offen darüber schreibt, wie schwierig es ist zu sagen, dass man als Eltern auch mal versagt und sich nicht immer toll fühlt. Es war uns wichtig, eine Diskussion anzustoßen, und ich denke, das haben wir geschafft.
kreuzer: Brauchen wir denn ein Buch, das uns sagt, was wir alles nicht brauchen?
HEILMANN: (lacht) Unbedingt!