»Von Jugendstil bis Gegenwart« heißt der dritte Teil der Dauerausstellung im Grassi-Museum für Angewandte Kunst, der am Sonntag eröffnet wird.
Zwei weiße Kaffeekannen stehen in der Vitrine. Schlicht, weiß, unscheinbar. Sie gehören zum Service »Arzberg 1382«, das Hermann Gretsch (1895–1950), einer der bedeutendsten Industriedesigner des 20. Jahrhunderts, 1931 entwarf. Das glasierte Porzellanservice war seine Antwort auf die billigen, formal und ästhetisch verwaschenen Massenporzellane seiner Zeit.
Der letzte Teil der Dauerausstellung des Grassi-Museums für Angewandte Kunst schlägt wie der Titel verrät, den Bogen »Von Jugendstil bis Gegenwart«. Auf 1.200 Quadratmetern sind mehr als 1.500 Objekte vereint, darunter eines der seltenen frühen Exemplare des berühmten »Barcelonastuhls« von Ludwig Mies van der Rohe aus dem Jahr 1929. Unikate stehen hier neben seriellen Produktionen, eine Ansammlung von Türklinken findet sich neben Kaminkacheln aus der Hand Max Klingers. Insgesamt sechs Medienstationen liefern Hintergrundinformationen zu einzelnen Objekten, an denen sich immer auch mehr als nur schönes Dekor ablesen lässt: nämlich Design-, Rezeptions- und Lebensgeschichte.
So wurde Hermann Gretsch 1933 Mitglied der NSDAP, leitete in dieser Funktion den Deutschen Werkbund und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Nach dem Krieg arbeitete er bis zu seinem Tod 1950 als freier Architekt und schrieb für eine Zeitschrift. Sein Porzellanservice aus dem vergangenen Jahrhundert aber ist zeitlos: Es zählt zu den Design-Ikonen des 20. Jahrhunderts. Gretsch entwarf das Service 1931, also noch bevor die Nazis an die Macht kamen. Vielleicht ist das ein Grund, warum die politische Vergangenheit des Designers keinen Einfluss auf die Popularität des Geschirrs hat. Noch immer wird es von der Firma Arzberg im Fichtelgebirge produziert, und mit über 840 verschiedenen Dekoren verziert, schmückt weiterhin die Kaffeetafeln dieser Welt.