Sie ist unsere Frau in Bangladesch. Die Performance-Künstlerin Diana Wesser
gibt in der 13-Millionen-Stadt Dhaka einheimischen Künstlern einen Workshop zum Thema Performance im öffentlichen Raum. Und schreibt hier auch über ganz andere Schwierigkeiten. Heute: Tödliche Nebenwirkungen oder das Nachtlied der Füchse.
Nach zwei Wochen Moloch muss ich dringend raus aus dieser Stadt. Einige meiner Workshopteilnehmer planen gleich im Anschluss ein Künstlercamp in den Chittagong Hill Tracts, zu dem sie mich einladen. Ich bin begeistert! Die Chittagong Hills sind die Region, vor der selbst das Auswärtige Amt warnt. Dabei gilt die Gegend als eine der beeindruckendsten und schönsten Landschaften ganz Asiens (sagt Lonely Planet). Um mitfahren zu können, muss ein Antrag gestellt werden: Mein Pass wird gescannt und der Namen meines Vaters notiert. Auf dem Infotreffen drei Tage vor der Abfahrt erfahre ich dann zum ersten Mal, was auf mich zukommt: eine 15-stündige Anreise, zunächst mit dem Überlandbus und dann weiter mit einem Boot durch Stromschnellen, wegen der wir das Boot teilweise durch hüfthohes Wasser ziehen müssen. Vor Ort dürfen wir zwischen 16 und 19 Uhr, sowie zwischen 4 und 7 Uhr nicht austreten, außerdem soll ich stets lange Hosen und lange Shirts und nachts Handschuhe und eine Mütze tragen – alles wegen der Malariagefahr. Ich bekomme eine Tablette als Prophylaxe, die ich noch am selben Abend einnehmen soll, aber ob sie wirklich hilft, sagen sie, ist umstritten. Langsam wird mir mulmig, und ich befrage das Internet nach dem Medikament. In Deutschland, lese ich, ist es aufgrund tödlicher Nebenwirkungen verboten. Dabei gelten die Chittagong Hill Tracts als die am meisten von Malaria betroffene Gegend Bangladeschs. Am Abend berichten mir meine Gastgeber auch noch von aktuellen Unruhen in der Region und der damit verbundenen Gefahr, entführt zu werden. Meine innere Stimme rät mir, nicht zu fahren und gleichzeitig erinnert sie mich: Wenn ich nicht fahre, hänge ich in dieser stinkenden, lauten, fiebrigen Stadt fest …
[caption id="attachment_13307" align="alignleft" width="250" caption="Pinguinboot am Padmaufer"][/caption]
Etwa zehn Minuten, nach dem ich mich von den Chittagong Hills verabschiedet habe, erhalte ich eine Einladung vom Goethe Institut Dhaka, gemeinsam mit einer anderen deutschen Künstlerin in ein Resort zu fahren – gerade mal 100 km südlich von Dhaka! Statt Abenteuerurlaub also Erholung – eigentlich ist es das, was ich gerade brauche. Wir mieten uns einen Fahrer und fahren mit dem Auto raus aus der Stadt, vorbei an Reisfeldern, Moscheeneubauten und Ziegeleien, in denen die Ziegel mühsam von Hand hergestellt werden. Ein mit Tigern und Pinguinen bemaltes Boot bringt uns auf die Insel, auf der sich unser Resort befindet. Mein Zuhause ist jetzt ein einfaches Holzhäuschen, von dessen Terrasse aus ich auf den Fluss Padma (ausgesprochen wird er etwa »Podh-ha«) blicke, der uns zugleich als Badezimmer dient. Hier draußen spüre ich zum ersten Mal die Sonne, die ungehindert vom Großstadtsmog zu uns durchdringt und meinem Gesicht eine gesunde Hautfarbe verleiht. Ich genieße die Ruhe und die verhältnismäßig reine Luft und am Abend auch den gegrillten Fisch – frisch gefangen vor unserer Haustür. Ansonsten besteht das Essen morgens, mittags und abends aus Dhal, Kartoffeln, Chili und Reis oder Fladenbrot. Zum Einschlafen singen uns die Füchse ein Nachtlied und unsere Träume werden von elektrisch verstärkten Gesängen, die von der anderen Seite des Flusses zu uns dringen, bis in die Morgenstunden begleitet.
Es ist erstaunlich, wie erholsam es sein kann, mit ganz wenig klarzukommen. Ich bin gespannt, wie die Rückkehr nach Dhaka wird …