Jenseits gängiger westlicher Klischees über das »Balkankino« wirft die »Bioskop Balkanale (Ost)« spannende Schlaglichter auf die jeweiligen Kinematografien. Eröffnet wird die Reihe heute Abend mit dem Dokumentarfilm »Balkan Melodie«. Darin begibt sich Stefan Schwietert auf die Spuren des Musikenthusiasten und –sammlers Marcel Cellier.
Zigarette rauchend blicken der Arzt Krassi, die Rettungsassistentin Mila und ihr Fahrer Palmen auf das chaotische Sofia außerhalb ihres Rettungswagens und warten auf weitere Einsatzbefehle. Immer wieder ist die Verbindung zur Zentrale unterbrochen, was den Arbeitsalltag in der Millionenmetropole erschwert. In seinem Film »Sofia’s Last Ambulance«, der als einer von elf Filmen in der Reihe »Bioskop Balkanale (Ost)« einen Einblick in das aktuelle Filmschaffen der östlichen Balkanländer gewährt, dokumentiert Ilian Metev den harten wie irrwitzigen Arbeitsalltag der drei. Der Film zeichnet neben dem sympathischen Porträt des Rettungsteams vor allem auch das ungeschönte Bild einer Stadt, deren System noch immer auf arg wackligen Beinen steht.
Bereits 2008 wurde Ilian Metev bei DOK Leipzig mit der Talent-Taube für »Goleshovo« ausgezeichnet. Mit dem Preisgeld realisierte er » Sofia’s Last Ambulance« und gewann dafür im vergangenen Jahr die Silberne Taube. Metev ist ein Vorzeigebeispiel einer bulgarischen Filmemachergeneration, die sich zunehmend mit der jüngeren Vergangenheit des Landes auseinandersetzt und sich einem größeren europäischen Publikum empfiehlt. Nach dem politischen Umsturz von 1990 war es cineastisch ruhig um das Balkanland geworden. Mit der Einladung des Debütfilmes »Eastern Plays« von Kamen Kalev nach Cannes wanderten die Blicke wieder verstärkt gen Osten. Kalevs neuer Film »The Island« mit Laetitia Casta und Thure Lindhardt in den Hauptrollen feiert in der Cinémathèque seine Deutschlandpremiere. »The Island« erzählt von einem Paar, das Urlaub auf einer kleinen bulgarischen Insel macht und in der idyllischen Einöde schnell mit den eigenen Ängsten konfrontiert wird.
Bulgarien bildet einen Länderschwerpunkt der Reihe, deren Filme nicht nur die geografische Nähe vereint. Vor allem ist es eine unaufgeregte, besonnene Erzählweise, die die Filme auszeichnet und den Figuren viel Raum und Zeit lässt, sich zu entfalten. Vordergründig tauchen die Filme tief in die Alltagswelten der Protagonisten ein, erzählen von persönlichen Schieflagen und familiären Spießrutenläufen. Das vielversprechende Kinodebüt des türkischen Regisseurs Emin Alper, »Beyond The Hill«, das in seiner Machart an einen Western erinnert, erzählt von einer Familie in einer abgelegenen Gebirgsgegend, die sich von vorbeiziehenden Nomaden bedroht sieht und einen regelrechten Nervenkrieg anzettelt. »Our Grand Despair« (Seyfi Teoman), ein weiterer türkischer Beitrag, handelt dagegen in extrem leisen Tönen von zwei besten Freunden, die sich in dieselbe Frau verlieben. In dem rumänischen Ehedrama »Tuesdays, After Christmas« wechselt ein Familienvater zunächst mit scheinbarer Leichtigkeit zwischen Frau und Kind und seiner Affäre. Erst ein zufälliges Aufeinandertreffen von Gattin und Geliebter macht ihm klar, dass er sich entscheiden muss.
Jenseits gängiger Klischees über das »Balkankino« wirft die Reihe spannende Schlaglichter auf die Kinematografien der einzelnen Länder. Eröffnet wird »Bioskop Balkanale (Ost)« mit dem Dokumentarfilm »Balkan Melodie«, der – zugegebenermaßen – aber doch ein wenig in die altbekannte Kerbe schlägt.