Es war voll, laut und heiß. Das Konzert der Melvins am Sonntagabend hielt, was es versprach: Schweiß ohne Ende, doppeltes Schlagzeugsolo und eine Selbstmorddrohung der Vorgruppe.
Selten wird die Vorband so enthusiastisch begrüßt wie heute im voll besetzten UT Connewitz. Selten kommt die Vorband aber auch zur Titelmusik von Roseanne auf die Bühne. Big Business tun es. Nur um dann richtig loszulegen. Es ist Teil ihres Humors. Zu dem gehört auch, dass Bassist Jared Warren nach einem schweißtreibenden Auftritt – während dessen die Band kein Wort an die gut 400 Leute im Publikum richtet und ironiefrei ihr Set spielt – mit irrem Blick ins Publikum starrt und verkündet: »Dieses ist unser letztes Lied und danach bringen wir uns um. Und wir nehmen einen von euch mit.« Dabei starrt er den Fotografen vor sich an. »DICH!« Der Fotograf grinst. Jared Warren rammt sich den Mikrofonständer in den Bauch und fällt theatralisch zu Boden, nur um fünf Minuten später für ein zwanzigminütiges furioses Feedback-Finale wieder aufzuerstehen.
Das Feedback geht dabei fast nahtlos in den Auftritt der Melvins über. Die jammen sich mit Bass-Solo und Schlagzeug recht gediegen in das Set. Um den Auftritt treffend zu beschreiben, muss ich aber ans Ende vorspulen. Denn kaum etwas fasst die Melvins besser zusammen als der Moment, als Drummer Dale Crover für das Finale wieder auf die Bühne kommt. Er geht zu Bassist Trevor Dunn, der seit etwa fünfzehn Minuten im Solo den Kontrabass bearbeitet, der ihn um mindestens dreißig Zentimeter überragt. Was Dunn dabei mit der tiefen E-Saite anstellt, schaffen manche Musiker mit einem ganzen Orchester nicht.
Crover klopft ihm auf die Schulter, klatscht anerkennend Beifall und schlägt dann selbst mit so viel Enthusiasmus auf sein Schlagzeug ein, als wäre es eine vom Arzt verschriebene Therapie. Mit erhobenen Drumsticks wartet er auf den erlösenden Moment, in dem er die Sticks auf das Fell dreschen kann. Coady Will – der Schlagzeuger von Big Business – kommt dazu und nun prügeln beide.
Es ist die Begeisterung dieses Moments, die klar macht: Es geht nicht um das Publikum. Die Melvins würden genauso spielen, wenn nur zwei Leute da wären, wenn sie in der Arena wären oder in der Galerie KUB. Es geht um die Musik. Und solche Momente der Euphorie gibt es an diesem Abend immer wieder: Da kämpft Trevor Dunn minutenlang mit seinem Bass, ringt ihn nieder, bis beide am Boden liegen und Trevor das mannsgroße Instrument wie eine Trophäe über sich hochhält. Da springt Dale Crover auf seinen Schlagzeug-Hocker, als wolle er rufen: »Oh Käptn, mein Käptn« und schlägt von oben auf die Becken, als hätte er vier Arme.
Am Ende des Konzerts, als das Schlagzeug-Battle mit Coady Will entschieden ist, springt er noch einmal auf den Hocker und klatscht mit Coady ab. Jetzt bekommt auch das Publikum seine Rolle: Es feiert und entlässt die beiden mit minutenlangem Applaus und scheint sich aus Solidarität mit den vier geschundenen Schlagzeuger-Händen Blasen klatschen zu wollen. Dale Crover ist derweil vom Hocker gekippt und liegt erschöpft am Boden, in seinem gerechten Schweiß gebadet.