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Kultur

Siegfried, Superman

Das »Nibelungenlied« als unterhaltsames Ballett mit Pop-Einschlag

  Siegfried, Superman | Das »Nibelungenlied« als unterhaltsames Ballett mit Pop-Einschlag

Der urdeutsche Siegfried als Superman. Schon zu Beginn seiner neuen Choreografie zu »Das Nibelungenlied« zeigt Ballettchef Mario Schröder mit einem schön ironischen Bild, dass es ihm nicht darum geht, den Mythos weiter zu spinnen.

Im Gegenteil: Siegfried (Tyler Galster) erweckt zunächst einen wenig heldenhaften Eindruck – sogar auf die Füße muss er erst einmal gestellt werden. Als das geschafft ist, reißt sich der »Nibelungen«-Recke unzählige mit Superhelden-Sprüchen beschriftete T-Shirts vom unförmig aufgeblähten Leib, was diesen schließlich auf Normalmaße schrumpfen lässt. Dann beginnt der Ernst des Abends, der aber trotz des bleischweren Stoffes erfreulich wenig weihevoll ausfällt.

Das liegt unter anderem an der berührend getanzten Liebesgeschichte zwischen Siegfried und Kriemhild (Isis Calil de Albuquerque), aber auch an der Musik von Thomas Leboeg (Kante) und Andreas Haberl (The Notwist; mehr zu deren Zusammenarbeit mit dem Leipziger Ballett im aktuellen kreuzer). Die Komposition der beiden Musiker ist elektronisch vorwärtstreibend, eine Art Pop-Soundtrack – Klänge, die den Zuschauer zeitweise mehr zum Tanzen als zum Zugucken animieren. Doch auch für die Augen wird einiges geboten: Neben der Choreografie, die mit ihrer überwiegend nüchternen Ästhetik angenehm alles Schwülstige unterläuft, kommen extrem verlangsamte Ausschnitte aus der Lang’schen »Nibelungen«-Verfilmung von 1924 im Hintergrund zum Einsatz. So lässt sich dem Stoff mit seinem überkommenen Pathos bis zur Pause kurzweilig folgen.

Der zweite Teil gerät dann etwas weniger unterhaltsam, was aber an der Sage selbst liegt: Kriemhilds Trauer über Siegfrieds Tod, ihre Verzweiflung und Rachsucht an den Mördern ihres Mannes fallen im Vergleich zum Kennen- und Liebenlernen des Protagonistenpaares naturgemäß introspektiv und düster aus. Die Musik reagiert darauf mit experimentellen Tönen, klingt zerrissen und spannungsvoll.

Am Ende sind – wie das pathetische Stoffe so an sich haben – mal wieder alle tot. Der kurze Gedanke daran, was Richard Wagners Musik aus diesem Abend gemacht hätte, lässt ein wenig schaudern. Zum Glück haben alle Beteiligten andere Wege eingeschlagen und dem Kitsch widerstanden.


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