Beim In Flammen hatten die Fluten keine Chance. Als vor einigen Wochen Jahrtausendfluten walteten, Höchstwasser Mensch und Tier einschlossen, Stampeden von Medienbetreibenden sich in die Krisenregionen ergossen, da konnte man kaum glauben, dass der Torgauer Entenfang anno 2013 In Flammen stehen würde. Doch Veranstalter Thomas gab schnell Entwarnung: Trotz Elbe-Maximal-Pegel hat das Gelände am Rande des Naturschutzgebietes nicht gelitten. Nur ein paar Wiesen waren feucht am Großen Teich, aus dem früher Fisch und Geflügel für den sächsischen Hof kamen. Drei Tage lang konnte es wieder heißen: Froschkotze statt Entengrütze.
Also rückten sie an, die Horden aus Nah und Fern, auch wenn die Leipziger Dominanz unter dem Publikum schon spürbar war. Scheddelleute und Metalheadz, local Bands und Fans drängten sich zuhauf an der legendären Froschkotze-Bar. Schon am Warm-up-Donnerstag war das Gelände angenehm gefüllt. Da der Party-Dampfer wegen des Elbpegels nicht wie gewohnt ins Festival hineinschunkeln konnte, wurde der Club Brückenkopf zum Ort der Aufwärmübung. Hübsch fiel die Bustour dorthin aus: Wie auf einer Klassenfahrt wurden Liedchen – »Ein Lob auf unsern Busfahrer, Busfahrer ...« – angestimmt und rumgeschunkelt. Musikalisch mau und humoristisch schwach ging’s dann los mit Inge und Heinz. Bloodland rumpelten erwartbar über die Bühne, schufen aber immerhin schon so etwas wie Metal-Atmosphäre. Fast ätherisch dann aber wurde es mit dem Überraschungsgast. The Soulscape Project aus Leipzig walzte melodiösen Rollrasen aus, trat ihn machtvoll fest und machte mit ihren ineinander überfließenden Post-Black-Metal-Eruptionen vollends Lust auf das Festival der Extrem-Musik.
Während der zwei Folgetage enttäuschte eigentlich keine Band – auch wenn nicht jede jedem Musikgeschmack entsprochen haben wird. Warum manche ihre »ostdeutsche Herkunft« so betonen mussten und ein paar Fans gar DDR-Fahnen aufhängten, wird ein Mysterium bleiben. Was so alles für den Distinktionsgewinn herhalten muss. Richtig herhalten musste der Thing-Platz an der bewaldeten Bühne das erste Mal bei Human Prey (Leipzig). Die Brutal-Death-Grinder mit Heimvorteil brachten schon im vergangenen Jahr die Masse zu früher Zeit in Höchstform. Dieses Mal waren es nicht nur Circle-Pits in Endlosschleife, zu der die zirkulierend rasende Menge auflief. Sogar eine Wall of Death – ja, das ist jenes Aufeinanderzurennen von Menschengruppen, vor dem kommerzielle Veranstalter Angst haben aufgrund schlechter Presse – war zu bestaunen. Congrats, das war heißer Scheiß!
Lobende Erwähnung müssen auch Humiliation (Malaysia) finden, die dermaßen groovige Death-Metal-Kopfnüsse verteilten, dass auch Schwermetallerherzen vor Freude das Hüpfen lernten. Nicht überraschenderweise gelang das auch dem US-Geschwader Exhumed. Nautisch lautmalend und Walgesängen gleich färbte Ahab den noch hellen Samstagabend krakentintenschwarz – sie können also auch vor der Dämmerung die Doom-Harpunen platzieren. Ondskapt (Schweden) trumpften als beste Black-Metal-Kapelle auf – das sei festgehalten, auch wenn das andere anders sehen werden. Süffig-sattes Getrommel traf auf sägende Gitarren und kraftvoll wehleidige Vokale, so dass der kunstblutige Mummenschanz als Bühnenoutfit schon durchging.
Keine Band enttäuschte wirklich? Nun gut, warum der René und seine Kapuzen-Atzen (Nargaroth) hier auftreten müssen, war bereits im Vorfeld umstritten. Aber Thomas meinte ja, man kenne sich halt gut und der René meint das alles nicht so. Also war man gespannt, ob sich da was tun könnte beim Ein-Mann-Black-Metal-Projektierer, vielleicht sogar ein Zeichen Richtung Szene, die er doch in den letzten Jahren so verachtete. Für’n Arsch. Schauten seine mitgereisten Kumpels schon zuvor böse ins Rund – vom Typ eher aufgepumpter Hooligan denn Metaller –, so sekundierten dem René dann zwei vermummte Kerle auf der Bühne als Fackel- und Fahnenhalter. Und sollen auch mal kräftig zugeschlagen haben, wie Gerüchte und Bilder andeuten. Aber das hat unser Reisegrüppchen wie viele andere nicht mitbekommen. Denn nachdem den ganzen Samstag über jeder, der es hatte, ein Napalm-Death-, »Good Night – White Pride«- oder »Crush, Kill, Destroy NSBM«-Shirt anzog und die Hardcore-Thrasher von Ektomorf (Ungarn) noch eine Antira-Ansage machten, donnerte das Nargaroth-Intro los. »Alles Fotzen ...« machte klar, nur der René ist Kult und ja: »Black Metal ist Krieg«. Da war geschätzt die Hälfte der Leute bei ihren Zelten und blieb dem Bühnenareal aus Protest fern. Das ist auch mal ein Zeichen gegen – zumindest – die Grauzone.
Als nach dieser verlängerten Umbau- und Biertrinkpause dann Grave (Schweden) zu den Klampfen griffen, war das die pure Erlösung. Spielfreudig schossen sie ihre katharsischen Death-Bullets ab und brachten die Menge zum Ausrasten. So gipfelte das In Flammen im gelungenen Knüppelabschluss. (Dragonsfire und Tarantel als Metal-Disse-Ersatz waren auch keine so schlechte Idee.) Bei dem Line-up und der Organisation mochte man insgesamt auch dieses Mal nicht glauben, auf einem unkommerziellen Festival gewesen zu sein. Davon gab nur der kolossale Kuchenbasar eine Ahnung. Das hat die Metal-Welt wirklich noch nicht gesehen! Tausend Metal-Krümelmonster, was für ein Anblick.