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Kultur

The Winner is ...

Am Freitag wird der 10. Bewegungskunstpreis vergeben

  The Winner is ... | Am Freitag wird der 10. Bewegungskunstpreis vergeben

Der Name ist etwas irreführend: Leipziger Bewegungskunstpreis. Man könnte meinen, er widme sich nur tänzerischen Darbietungen – was in manchem Jahr auch mal als Vorwurf an Jury und Ausrichter anklang. Doch ist der Preis der ganzen Palette der darstellenden Kunst verpflichtet, sofern sie in der Freien Szene verortet ist und an den jeweiligen Produktionen Leipziger mitwirken.

Das spiegelt sich auch in den Preisträgern seit 2005 wider: Im vergangenen Jahr wurde mit »Der Freischütz« erstmals ein Figurentheaterstück prämiert.

Oft genug werden Preise zum Anlass genommen, sich auszuruhen oder gegenseitig zu bebauchpinseln. Der Bewegungskunstpreis will das ausdrücklich nicht. Als eine der höchstdotierten Auszeichnungen für darstellende Kunst in Deutschland versteht er sich als Förderung – sowohl in finanzieller Hinsicht als auch ideell. Mit dem Preisgeld, auch im zehnten Jahr ist er mit 5.000 Euro (gesponsert vom Leipziger Anzeigenblattverlag) dotiert, soll eine Nachfolgeproduktion gefördert werden. Die Ehrung als solche will auch Impulse setzen und Herausragendes würdigen. Es ist ja nicht ganz unproblematisch, in der Stadt zwar eine virulente Freie Theaterszene zu haben, die aber selten herauskommt und zu häufig im eigenen Saft schmort.

Auf dem begleitenden Zweitages-Festival sind alle fünf nominierten Produktionen zeitversetzt an drei Orten – Schaubühne, naTo, Lofft – zu erleben, bevor es in Preisverleihung und Party übergeht. Eine facettenreiche Auswahl hat die fünfköpfige Jury aus insgesamt 19 Bewerbungen getroffen. Die installative Performance zu Ezra Pound »Cantos: And America likes me« vom Kollektiv Friendly Fire macht das 20. Jahrhundert als Zeitalter der Extreme im bespielten Museumsraum erfahrbar. In einer gekürzten Festival-Variante verhandelt »Vor den Hunden – Theater aus Europa« des Schaubühne-Ensembles die Kriege dieser Welt als mosaikartigen Flickenteppich. Valerie Habicht-Geels gibt mit ihrem Solo-Stück »ROH« sinnliches Kammertheater, das in einer Mischung aus Autobiografie und generelleren Gesellschaftsbetrachtungen als feministischer Akt mit Verve rüberkommt. »Vade mecum« nennen Tanzzenit ihren virtuosen Körpereinsatz, im frei um die Entstehung der Welt oszillierenden Tanzstück. Ebenso tänzerisch, aber um Akrobatikelemente erweitert, thematisiert »Corps Étrangers – Fremdkörper« der Gruppe Mouvoir die Grenze zwischen Dingwelt und Lebewesen in faszinierenden Bildern.

UPDATE: Gewonnen hat Stephanie Thiersch und Mouvoir mit dem Stück »Corps Étrangers – Fremdkörper«. In der Jury-Begründung heißt es:

Aus Tanz- und Parkour-Elementen, akrobatischen Nummern und Vertikalseilakten schaffen Stephanie Thiersch und Akteure dabei ihren ganz besonderen Cirque Nouveau der eigenwilligen Bilder von humanen Hybriden, die visuell so ansprechend und so frei auch sind von vordergründigem Deutungsballast. Werden hier antike und indigenen Kulturen beschworen, oder grüßt (auch mal putzig) die Postapokalypse? Verweist eine Körperskulptur nicht auf die kretische Schlangengöttin? Blitz hier nicht Altägypten, dort Mesopotamien auf? In jedem Fall tut sich ein archaisch-anarchisch-akrobatisches Universum der Freaks, der Fremdkörper auf, dessen Durchdachtheit und Virtuosität alle Assoziationsketten sprengt und das in seinen besten, dichtesten Momenten, auch einen wirksamen Gegenentwurf, einen, man kann das in dem Fall mal genau so sagen: Gegenzauber zur Entzauberung der Welt aufzeigt. Die Produktion gibt somit auch ein Musterbeispiel. Nicht nur für die Existenzberechtigung der freien Szene, die so selbstverständlich, wie sie gern postuliert wird, nicht ist. Sondern vor allem für ein künstlerisches Potential, das Welt und Dasein in einer Art zu reflektieren vermag, die von einer- um dieses Wort noch mal zu benutzen- geistigen und ästhetischen Autonomie ist, welcher unser Gegenwartskulturbetrieb zunehmend vermissen lässt.
Das Stück wird am 12.7. um 20 Uhr erneut im Lofft aufgeführt.

TOBIAS PRÜWER (... sitzt als Theaterredakteur des kreuzer mit in der Jury)


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