Am Freitag wurde der Bewegungskunstpreis (BKP) an die Produktion »Corps Étrangers« der Kölner Stephanie Tiersch vergeben. Der Leipziger Schauspieler und Regisseur Armin Zarbock stieß mit einer Rundmail jetzt eine Diskussion um die Vergabekriterien des mit 5.000 Euro dotierten Preises an. Vor allem die Frage, wie stark der Leipzig-Bezug der Produktionen sein muss. »Corps Étrangers« war eine Koproduktion des Lofft. Steffen Georgi, der seit fünf Jahren für die LVZ in der Jury sitzt, erklärt, warum das die richtige Entscheidung war.
kreuzer: Verstehen Sie die Diskussion um die jetzige Preisträgerin?
STEFFEN GEORGI: Nein. Die beste Produktion hat gewonnen. Punkt. Wobei die Diskussion ja weniger um die Künstlerin geht, als vielmehr um die Ausrichtung und das Selbstverständnis des BKP, die diese Künstlerin zur Gewinnerin machen konnten.
kreuzer: Warum werden auch Produktionen gefördert, an denen nicht nur Leipziger beteiligt sind?
GEORGI: Weil eine Ausrichtung auf »nur« Leipziger doch recht ignorant, um nicht zu sagen autistisch wäre. Und unrealistisch außerdem. Ich glaub auch nicht, dass das jemand ernsthaft fordert.
kreuzer: Es heißt, man solle Leipziger Theatermacher unterstützen, die für Leipzig produzieren. Was soll das heißen?
GEORGI: Weiß ich nicht. Mich interessiert gutes, nein: bestmögliches Theater. Im Fall der Preisträgerin ist das absolut geboten. Das Lofft hat daran eine ganz entscheidende Aktie, was diese Preisentscheidung mehr als nur legitimiert. Und dass keiner der an »Corps Étrangers« beteiligten Künstler in Connewitz, Reudnitz oder Borsdorf wohnt, möchte ich denen hier jetzt wirklich nicht vorwerfen.
kreuzer: Kommt hier nicht etwas Provinzielles zum Vorschein?
GEORGI: Nein, ich glaube eher, etwas von jenen Befindlichkeiten und Überspanntheiten, die so ziemlich überall zum Theater, ob subventioniertem oder freiem, gehören. Das ist in Berlin oder Hamburg nicht anders, als in Leipzig oder Buxtehude. Das ist eine Mentalstruktur, die gehört zum Metier. Was jetzt allerdings nicht heißen soll, dass man sich Diskussionen verweigert, wenn, wie im gegebenen Fall, ein Diskussionsbedürfnis da ist.
kreuzer: Wie schätzen Sie die Leipziger Szene ein – qualitativ? Man kann ja die Preis-Öffnung auch so lesen, dass Sie unzufrieden sind mit dem Dargebotenen.
GEORGI: Diese Lesart würde ich nicht teilen. »Die« Leipziger Szene existiert für mich nicht. Wie überall: Es gibt gute und weniger gute Künstler. Interessantes, Mittelmäßiges und natürlich auch Unerhebliches. Die Neigung, daraus quasi einen Klassendurchschnitt zu errechnen, geht mir völlig ab. Was mir allerdings immer wieder auffällt, ist eine gewisse, ich nenne es mal freundlich Selbstgenügsamkeit. Schauen Sie mal – ums an einem Beispiel festzumachen – etwa bei einem Festival wie dem Off-Europa in die Zuschauerreihen. Die Möglichkeit, hier in Leipzig freies Theater aus Europa zu sehen, sich in Bezug zu setzen, im weiteren Kontext eine auch selbstkritische Eigenverortung zu versuchen, scheint für das Gros »der Szene« offenbar wenig reizvoll. Ausnahmen bestätigen die Regel. Und natürlich hat auch gerade das entscheidend etwas mit dieser Diskussion zu tun, die hier grad geführt wird.
kreuzer: Sie hören als Jury-Mitglied nach fünf Jahren auf. Warum und welches Resümee ziehen Sie für sich? Und was wünschen Sie dem Preis sowie der Freien Szene?
GEORGI: Was die Jury-Arbeit angeht: Das ist schlichtweg eine Pause, die ich mir mal gönne. Deshalb klänge mir ein »Resümee« jetzt auch zu endgültig. Rente ist ja noch nicht. Und was ich dem Preis und der Szene wünsche? Vor allem eins: Bestmögliches Theater. Uneigennütziger kann ich es leider nicht formulieren.