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Stadtleben

Liveticker: »Es werde Licht«

Exklusiv: Der Liveticker vom heutigen Lichtfest

  Liveticker: »Es werde Licht« | Exklusiv: Der Liveticker vom heutigen Lichtfest

Hunderttausende Menschen ziehen um den Ring. Sie tragen Kerzen und weinen. Einige werden handgreiflich. Zu ihnen gesellen sich Staatspräsidenten, Popstars und Rentner. Ein exklusiver Livebericht.

16.00 Sperrung der Verbindung Leipzig – Schkeuditz, um die Anreisefreiheit der Berliner Politiker vom Airport direkt zum Lichtfest zu gewähren.

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16.30 Wer will, der spürt eine magische Aufregung in der Stadt. Die LVZ berichtete bereits vorab, dass sich die Leipziger auf eine »emotionale Woche« einstellen sollten, die sie dann auch noch »mit Gästen aus aller Welt« teilen müssen.

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18.30 Friedensgebet. Menschen beten. Bundespräsident Gauck betet auch. Für Freiheit, für Frieden. Und für Krieg. »Deutschland sollte mehr Verantwortung übernehmen. Notfalls mit Waffen.«

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18.35 Unglück auf dem Festgelände: Beim »Bundesweiten Glockenläuten«, zu dem das Bürgerkomitee Leipzig aufgerufen hat, kommt es zu einem bedauerlichen Zwischenfall. Während die Glocken läuten, stürzt ein Mann laut schreiend vom Turm der Nikolaikirche. Das Opfer trägt eine auffallend große, runde Nickelbrille, auf der die Initialen T.H. eingraviert sind. Hinweise zur Identität des Verunglückten nimmt das Büro des Lichtfestkommissariats (LFK) entgegen.

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18.47 Bei dem Verunglückten handelt es sich um Tobias Hollitzer vom Bürgerkomitee und Chef des Museums in der Runden Ecke. Dies teilte das LFK soeben mit. Hollitzer soll auf dem Kirchturm lauthals eine Pressemitteilung des Bürgerkomitees verlesen haben und bei den Worten »... wollen wir dieses großen Glücksmomentes gedenken und für das Wunder der Friedlichen Revolution danken«, vor Rührung das Gleichgewicht verloren haben. Glücklicherweise wurde Hollitzers Aufprall von einem wendenden Planwagen abgefedert, der im Auftrag der Partei Die Linke unterwegs war. Wie durch ein Wunder brach Hollitzer sich lediglich den linken Mittelfinger.

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19.00 Das Lichtfest beginnt und damit »ein emotionaler Höhepunkt« aller Menschen. Kerzen werden angezündet. Es werde Licht.

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19.00 Gauck sagt in der Eröffnungsrede: »Heute nun haben Sie, die Leipziger Lichtwichtel und -wichtelinen, einen Präsidenten illuminiert, der sich selbst nicht denken kann ohne diese Freiheit und der sich sein Land nicht vorstellen mag und kann ohne die Praxis der Verantwortung.«

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19.06 Tausende, nein, Zehntausende, nein, Hunderttausende Menschen ziehen um den Ring. Ein älterer Mann murrt: »Dafür bin ich damals nicht um den Ring gezogen, dass ich heute wieder um den Ring ziehe.«

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19.09 Der ehemalige Major der Volkspolizei und heutige Polizeichef der Stadt Leipzig Bernd Merbitz nimmt seinen Platz auf der Ehrentribüne ein.

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19.15 Ein einzelner Demonstrant wird von der Polizei zugeführt abgeführt. Er hatte sich mit einer riesigen eiförmigen Kerze – dem von ihm sogenannten BOH-EI – unter die Lichtfestisten gemischt, um gegen die Äußerung der ehemaligen Opern-Sprecherin Christine Villinger, das Lichtfest sei nur ein »Bohei«, zu protestieren.

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19.23 Opposition gegen den »festlichen Charakter des Lichtfestes« würde »nicht geduldet«, kommentiert ein Mitglied des Lichtfestkomitees unter der Hand den BOH-EI-Vorfall. »Und das ist auch gut so«, pflichtet ihm ein zweites Komiteemitglied bei

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19.28 OB Jung erklärt einem MDR-Team vor der Runden Ecke, wie schön es sei, dass sich hier heute alle Generationen versammelt hätten. Auch diejenigen, die das ja damals alles gar nicht erleben durften. Dann winkt er in die Kamera und gratuliert seiner Freundin zum 25. Geburtstag.

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19.35 Die Band Karat kündigt ein spontanes Live-Konzert an der Lichtfeststrecke an. Noch bevor die Musik beginnt, findet sich ein erboster Mob vor der Bühne ein und skandiert »Stasi raus!«, »Karat gehört gespart« und »Bonzenmusiker in die Produktion!«

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19.41 Ein Autofahrer, der kurz vorm Ring im Verkehr stecken blieb, ist empört: »Dass ich jetzte hier keenen Parkplatz finde, dafür bin ich nicht um den Ring gelaufen, damals.«

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19.47 Helmut Kohl ist auf die Tribüne zu Gauck gerollt. Er will auch endlich mal wieder ein Ei abbekommen. Die Bürgerbewegung (»war nicht für den Sturz des Regimes verantwortlich«, O-Ton Kohl) tut ihm den Gefallen nicht. Irgendwer wirft dagegen mit Tomaten aus dem imperialistischen Ausland.

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19.51 Ein Rentner rennt zu Kohl, um ihm mitzuteilen, dass er sehr wohl persönlich »das kommunistische Gesindel« aus der Stadt gejagt habe. Kohl versteht sein Sächsisch nicht. Vielmehr sieht er so aus, als versteht er eigentlich gar nichts mehr.

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19.59 Mit unmittelbaren Zwangsmitteln, aber ohne Gewalt, wie ein Behördensprecher betont, hat die Polizei den Protest gegen die Teilnahme des ungarischen Staatspräsidenten am Lichtfest friedlich aufgelöst. Es gab 37 Gewahrsamnahmen, aber keine Festnahmen. Verletzt wurde niemand, lediglich drei Menschen aus Vorsorgegründen ins Krankenhaus gefahren.

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20.03 Stromausfall. Die Zahl 89 in den Fenstern des City-Hochhauses ist erloschen. Auch das in mehreren osteuropäischen Sprachen an die umstehenden Häuserwände projizierte Wort »Wir« kann nicht mehr gelesen werden.

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20.06 Die Ursache des groß angelegten Stromausfalls ist weiter unklar. Die Live-Übertragung des Orgelkonzertes der polnischen Ostsee Philharmonie Danzig aus der Nikolaikirche auf den Augustusplatz ist nur noch für die Anwesenden in der Nikolaikirche zu hören.

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20.09 Ein Jeckenzug der Westprovokateure biegt unter dem Transparent (liebevoll auch Transpi genannt) »Wir sind das Licht« direkt vor der Ehrentribüne um die Ecke. Die Westprovokateure behaupten lauthals, sie wären diejenigen gewesen, die damals die ganzen handgedrehten Bienenwachskerzen aus dem kapitalistischen Ausland mitgebracht hatten.

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20.13 Tumult auf der Ehrentribüne. OB Burkhard Jung ruft den Westprovokateuren wütend hinterher: »Für solche wie euch sind wir damals nicht auf die Straße gegangen!« Als ein zufällig vorbeilaufender Bratwurstverkäufer auf OB Jungs Herkunft aus Westdeutschland hinweist, wird dieser auch abgeführt (der Bratwurstverkäufer).

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20.21 Augenzeugen berichten, die Verhaftung des Bratwurstverkäufers sei vom ehemaligen Major der Volkspolizei und heutigen Polizeichef der Stadt Leipzig Bernd Merbitz persönlich durchgeführt worden. »Ich habs noch drauf«, soll Merbitz anschließend schnaufend kommentiert haben.

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20.43 Xavier N. aus Mannheim staunt: »Alles so erleuchtet hier.« Er hofft, Angela Merkel in der Moritzbastei zu treffen, um Deutschlands Haftungsbeschränkungen aufzulösen. Immer wieder murmelt er die Worte »Deutschland« und »GmbH« vor sich her.

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20.52 Die Polizei führt einen Mann aus Ghana ab. Der Asylsuchende hatte gegen die Residenzpflicht verstoßen und durfte sich auf dem Lichtfest gar nicht aufhalten.

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21.05 Ein Grüppchen BSG Chemie Leipzig Fans hat ein Bengalospalier aufgebaut. »Dafür sind wir nicht damals um den Ring gelatscht, dass die jetzt hier zündeln«, sagt ein Anwohner.

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21.20 Die Scorpions geben ein Geheimkonzert in der Arena, das von Red Bull gesponsert wird. »Hättet ihr damals schon Red Bull gehabt, hättet ihr einfach über die Mauer fliegen können«, erklärt Klaus Meine den paar Helene-Fischer-Fans, die hier seit Dienstag ihren Rausch ausschlafen.

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21.35 David Hasselhoff stürmt die Bühne und singt »Looking for Freedom«. Dann fordert er den Ehrenpreis für seinen persönlichen Einsatz zum Sturz der Mauer. Helene Fischer soll ihn überreichen. Die Fans johlen.

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22.03 Scorpions, Hasselhoff, Dietrich Mateschitz und die drei Besoffenen pfeifen zusammen »Wind Of Change« und fallen sich in die Arme.

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23.30 Die Stadtreinigung kündigt steigenden Bedarf für den Oktoberetat an. Aus dem Asphalt seien Wachsflecken viel schwieriger rauszubügeln.

UPDATE in eigener Sache: Aufgrund technischer Schwierigkeiten wurde der kreuzer-Liveticker zum Lichtfest 2014 bereits am Tag der Republik veröffentlicht – und nicht wie geplant am Tag der Friedlichen Revolution. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, den Fehler zu entschuldigen.


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