Ein neues Kinojahr beginnt und schon stehen die wichtigsten Termine im Kalender der Cineasten vor der Tür. Bei den Oscars darf sich Brad Pitt für »Herz aus Stahl«, der in dieser Woche bei uns startet, ziemlich gute Chancen ausrechnen. Die Berlinale wiederum schickt mit neuen Filmen von Terrence Malick und Peter Greenaway die ersten Wettbewerbshighlights ins Rennen. Mit dabei auch eine Leipziger Geschichte: Andreas Dresen verfilmte Clemens Meyers »Als wir träumten«, der im Februar in Berlin seine Premiere feiern wird. Ein spannendes Kinojahr wünscht euch und sich die kreuzer Filmredaktion.
Film der Woche: Das Leben und Sterben in Roy Anderssons Menschenstudie »Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach« ist grotesk und meistens unfreiwillig komisch. Der schwedische Regisseur erzählt keine stringente Geschichte, sondern porträtiert seine Antihelden in episodenhaften Momentaufnahmen. Eingefangen wird das Ganze von einer statischen Kamera, wodurch die einzelnen Aufnahmen zuerst wie Gemälde wirken. Sobald sich jemand bewegt, formieren sich die Bilder zur Theaterkulisse. Jede der farbreduzierten Aufnahmen wirkt durchkomponiert. Jeder Winkel, jeder Feuermelder, jeder Stuhl findet auf der Leinwand ganz natürlich seine Bestimmung. Die Menschen sind eingebettet in diese Künstlichkeit. Das Leben ist schließlich etwas Kunstvolles, aber es ist eben auch eine Kunst am Leben zu bleiben. Für »Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach« wurde der 71jährige Roy Andersson bei den Filmfestspielen in Venedig mit dem Goldenen Löwen für den besten Film ausgezeichnet. Leider haben es Gewinnerfilme beim Publikum meistens schwerer als bei Jury und Kritikern. Diesem Film ist zu wünschen, dass er gesehen wird, denn das könnte lohnenswerter und lehrreicher sein als so mancher Museumsbesuch. Ausführliche Kritik von Hanne Biermann im aktuellen kreuzer.
»Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach«: ab 1.1., Passage Kinos
Der Panzer, den die US-Soldaten des ersten Platoons ihr Heim nennen, ist wahrlich keine Schönheit und wenn sie sich zu fünft in die Sardinenbüchse quetschen, liegen die Nerven schon mal blank. Doch die Außenhaut aus Metall ist schwer zu knacken und es gibt kaum einen sichereren Ort als diesen inmitten des feindlichen Deutschland im April 1945, am Ende des Krieges, wo hinter jedem Baum ein Soldat lauern könnte, der Hitlers Befehl bis in den Tod folgt. Einige Einheiten leisten nach wie vor erbitterten Widerstand. Die kleine Gruppe um Seargent Don »Wardaddy« Collier bringt die nötige Dosis Glück und Erfahrung aus dem Krieg in Afrika mit, um standzuhalten. Doch ihr zweiter Schütze hat im letzten Einsatz sein Leben gelassen und der »Neue« ist direkt vom Schreibtisch an die Front beordert worden. Die Crew fügt sich den Befehlen und rollt weiter durch ein Land im Chaos, dem möglichen Untergang entgegen. Das Episodenhafte erinnert dabei stark an Meisterwerke des Genres wie »Apocalypse Now«. In seinen stärksten Momenten gelingt es Regisseur David Ayer (»End of Watch«) den Wahnsinn des Krieges in wenigen Gesten, einem Gesicht oder einem Dialog einzufangen. Das ist vor allem den Darstellern zu verdanken, die das Beste aus dem dünnen Drehbuch herausholen. Die Schlachtsequenzen sind gewaltig und blutig, wie man es im Genre bisher nicht gewohnt war. Doch immer wieder kippt »Herz aus Stahl« ins Pathetische und der Soundtrack gewinnt die ohrenbetäubende Oberhand. Derartige Treiberei wirkt fehl am Platze eines ansonsten nachdrücklichen Kriegsdramas. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»Herz aus Stahl«: ab 1.1., Regina Palast, Cineplex, CineStar
Frankreich, 1885: Blind und taub geboren, ist die 14-jährige Marie Heurtin unfähig zu jeder Art von Kommunikation. Entgegen dem Rat eines Arztes, der sie für »dumm« hält, kann sich ihr Vater, ein einfacher Handwerker, nicht dazu durchringen, sie in eine Anstalt einzuliefern. Aus Verzweiflung wendet er sich an das Institut Larnay in der Nähe von Poitiers, wo sich Nonnen um taube junge Frauen kümmern. Trotz der Skepsis der Mutter Oberin nimmt die junge Schwester Marguerite das „wilde kleine Tier“ unter ihre Fittiche. Sie tut alles, was in ihrer Macht steht, um Marie der Dunkelheit zu entreißen. Und auch wenn zahlreiche Rückschläge und Enttäuschungen den Weg begleiten und sie manchmal in Versuchung ist, aufzugeben, hat sie schließlich doch Erfolg. Ihre feste Überzeugung, dem Kind helfen zu können, und die Liebe zur kleinen Marie leiten sie.
»Die Sprache des Herzens«: ab 1.1., Passage Kinos
Die Filmtermine der Woche
Man on Wire
Der Drahtseilkünstler Philippe Petit überquerte 1974 den Abgrund zwischen den beiden Türmen des World Trade Centers. Hochspannende Chronik des artistischen Jahrhundertverbrechens.
4. 1., 20 Uhr, Schaubühne Lindenfels
National Gallery
Eine berauschende, anregende Dokumentation über Londons Schaulaufen der alten Meister.
4.1., 13 Uhr, Passage Kinos
Weniger ist mehr - die Grenzen des Wachstums und das bessere Leben
Kein Wohlstand ohne Wachstum. So lautet bisher das Credo von Wirtschaft und Politik. Ein stetiges Wirtschaftswachstum gilt als Garantie für Arbeitsplätze und für die Lebensqualität der Bevölkerung. Wer am Wachstumsdogma zweifelt, wird als realitätsfremd belächelt.
4.1., 17 Uhr, Die ganze Bäckerei
Wenn die Gondeln Trauer tragen
Ein Künstlerehepaar wird nach dem Unfalltod der Tochter in Venedig durch geheimnisvolle Erlebnisse beunruhigt. Formal bestechender parapsychologischer Grusel nach einer Story von Daphne du Maurier. – in der Reihe Classic Cinema
4.1., 17.15 Uhr, Regina Palast
Geron
Der neue Film von Schwulenikone Bruce LaBruce ist eine romantische Komödie zwischen einem 18-Jährigen und einem alten Mann. - Queerblick
7. 1., 19.30 Uhr, Passage Kinos
Kelly Reichardt – Last of the Independents
Mit nur einer Handvoll Filmen hat sich Kelly Reichardt als eine der wichtigsten Stimmen des US-Independentkinos etabliert. Zu ihrem 50. Geburtstag präsentiert das UT Connewitz eine Werkschau ihrer vielfach preisgekrönten und höchst unterschiedlichen Arbeiten. Im Roadmovie »Old Joy« schickt sie den Musiker Will Oldham auf Reisen, begleitet Frauen auf dem Treck gen Westen in »Meeks Cutoff« und kämpft an der Seite von Öko-Aktivisten in »Night Moves«. Hervorragende Gelegenheit ihr Kino zu entdecken.
»Old Joy«
7./8.1.
»Meeks Cutoff«
13./14.1.
»Night Moves«
26., 28.1.
jeweils 21 Uhr, UT Connewitz
Unikino: Stereo
Gelungener Psychothriller von Maximilian Erlenwein (»Schwerkraft«) mit einem glänzend besetzten Hauptdarsteller-Duo.
7. 1., 19 Uhr, Campus Augustusplatz (Hörsaal 11)
Das finstere Tal
Über einen versteckten Pfad, irgendwo hoch oben in den Alpen, erreicht ein einsamer Reiter ein Dorf, das sich zwischen unwirkliche Gipfel duckt. Niemand weiß, woher dieser Fremde kommt, und niemand will ihn hier haben. Düsterer, eigenwilliger Alpenwestern mit Anleihen an Eastwood und Tarantino.
8.1., 20 Uhr, Moritzbastei
Black Ice
Als sich die Crew des Greenpeace-Schiffs »Arctic Sunrise« auf den Weg machte, um gegen die ersten Ölbohrungen im Arktischen Ozean zu protestieren, ahnte noch keiner an Bord, was passieren würde. Mit vorgehaltener Waffe wurde die Besatzung von russischen Spezialeinheiten festgesetzt, was auf der ganzen Welt für Schlagzeilen sorgte. In Zusammenarbeit mit Greenpeace, mit anschließender Filmdiskussion.
8.1., 17 Uhr, Kinobar Prager Frühling