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Spiel

Der Preis der Freiheit

NEO Scavenger vs. Dragon Age: Inquisition

  Der Preis der Freiheit | NEO Scavenger vs. Dragon Age: Inquisition

Ständig wollen Spiele uns irgendetwas erzählen. Meistens scheitern sie. Der Grund: Erzählt wird normalerweise in Zwischensequenzen, also in kurzen, interaktionsfreien Videoschnipseln. Aber wer Videoschnipsel will, der kauft sich kein Spiel, der versackt auf Youtube. Also werden Zwischensequenzen gerne weggedrückt oder wenigstens nicht so ernstgenommen. Aber wie soll eine richtig interaktive Erzählung auch aussehen? Da könnte man Bioware fragen.

Die Experten für ausladende Rollenspiele versuchen seit Jahrzehnten, aufwendig produzierte Videospiele und große Wahlfreiheit unter einen Hut zu zaubern. Ihr aktuelles Spiel heißt »Dragon Age: Inquisition«, ist aber trotzdem gut. Nie entsteht hier der Verdacht, man könnte nicht mitentscheiden. Die Wahlfreiheit ist erdrückend, schon bei der Erstellung des eigenen Helden. Ab welcher Breite sind maskuline Wangenknochen zu breit? Ist das Elfentattoo zu prollig? Solche Fragen müssen vor Beginn der Erzählung beantwortet werden. Und im Spiel geht das so weiter. Ständig verwickeln Charaktere den Helden in komplexe Multiple-Choice-Gespräche. Wer sich hier verquatscht, kann an den tollsten Orten landen. Wer will, kann eine homosexuelle Affäre mit einem kriegerischen Bullenmenschen haben. Der Videoschnipsel dazu kommt sogar ohne einen einzigen dummen Schwulenwitz aus.

Bioware baut seinen Spielern die Geschichte als Baumdiagramm. Alles läuft in eine Richtung, aber man darf schon lenken. Genau da liegt ein Problem: Jeder Zweig im mächtigen Baumdiagramm muss liebevoll geschnitzt werden, sonst fühlt sich der Spieler veräppelt. Aber jede nicht eingeschlagene Abzweigung wird letztendlich für die Tonne produziert. Genau deswegen bleiben gravierende Entscheidungen auf wenige Spielmomente beschränkt. Wie sollte man auch mehr machen, ohne jedes Budget zu sprengen?

Ein Mann wollte mehr: Daniel Fedor ist vor ein paar Jahren bei Bioware ausgestiegen, und hat kürzlich sein Rollenspiel »NEO Scavenger« veröffentlicht. Statt der Breite der Wangenknochen legt man hier nur Grundlegendes zum Protagonisten fest: Hat der Held gute Augen? Ist er kurzsichtig? Kann er Fallen stellen? Schlösser knacken? Die Entscheidung ist schwierig, aber nicht unübersichtlich. Dann wacht er nach einem Kälteschlaf in einer Welt aus notdürftiger Grafik und Textbeschreibungen auf. Hier gibt es nichts zu sehen, alles ist Entscheidung. Die Welt hat zwar auch eine Geschichte, aber der Spieler erzählt seine eigene. Die Geschichte handelt von einem Mann, der in einer Ruine in einem Krankenhausleibchen aufwacht. Wie es dann weitergeht, ist offen. Gar nichts finden, halbnackt und frierend in einem verlassenen Vorstadtbungalow erfrieren, ist eine legitime Version der Geschichte. Sich mit dem Nötigsten verbarrikadieren und lange ausharren ist auch erlaubt. Nach den ersten frühen Toden kann man durchaus so etwas wie eine epische, gewundene Geschichte um Folgezivilisationen, Kulte und Erste-Hilfe-Kästen erleben. Aber das bleibt nur eine Option. Kein aufwendig produzierter Videoschnipsel validiert irgendwann den Weg des Spielers. Und so kann der einsame Entwickler Fedor mit einer Handvoll Helfer das Baumdiagramm in alle Richtungen explodieren lassen. In »Dragon Age« bleiben bestimmte Plot Points fest in die Erde gerammt. In »NEO Scavenger« ist jede Geschichte anders und legitim.


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