Da ist er, der nächste große Hit aus Frankreich, nach dem sich die Kinobetreiber hierzulande die Finger lecken. Nach dem Riesenerfolg von »Ziemlich beste Freunde« rettete im vergangenen Jahr »Monsieur Claude und seine Töchter« den Besucherschnitt für die Programmkinos und ab dieser Woche könnte »Verstehen Sie die Béliers?« Ähnliches gelingen. Zu wünschen wäre es der musikalischen Komödie, die wieder einmal die richtige Balance zwischen Witz und Emotionen findet. Darin ist das französische Kino wahrlich ein Meister. Besucher und Betreiber profitieren gleichermaßen davon und wir wünschen euch herrliche Stunden mit den Filmstarts der Woche.
Film der Woche: Paula steht auf einer Bühne und singt mit dem Schulchor. Im Publikum überall gerührte und glückliche Gesichter: stolze Geschwister, Freunde und Eltern. Nur Paulas Familie blickt irritiert um sich. Denn so schön Paula auch singt – sie können ihre Stimme nicht hören. Sowohl Paulas Eltern als auch ihr kleiner Bruder sind gehörlos, was Paula ihre Pubertät nicht gerade erleichtert. Neben Jungs- und Schulproblemen muss sie sich auch noch um ihre Eltern kümmern und als Dolmetscherin auftreten. Das gilt sowohl für den Wochenmarkt, auf dem die Familie den selbst hergestellten Käse verkauft, als auch für den Frauenarzt, der den Eltern zu erklären versucht, warum sie die nächsten Wochen nicht miteinander schlafen dürfen. Als dann noch der Leiter des Schulchores in Paula ein unentdecktes Talent sieht und ihr eine Karriere als Sängerin in Aussicht stellt, wird ihr Leben völlig durcheinandergewirbelt, denn auf Verständnis von ihren Eltern kann sie nicht hoffen. Im Gegensatz zu Caroline Links Meisterwerk »Jenseits der Stille« aus dem Jahr 1996, in dem es ebenfalls um die musikalisch begabte Tochter von gehörlosen Eltern geht, ist »Verstehen Sie die Béliers?« aber kein Drama, sondern eine berührend witzige Familienkomödie. Ausführliche Kritik von Hanne Biermann im aktuellen kreuzer.
»Verstehen Sie die Béliers?«: ab 5.3., Passage Kinos
kreuzer verlost Freikarten. eMail an film@kreuzer-leipzig.de (Betreff: »Ohne Worte«)
Irgendwann erwischt es uns alle. Erst vergisst man die kleinen Dinge: Namen, Orte oder wo man gestern die Autoschlüssel hingelegt hat. Am Ende sind vielleicht nur noch Fragmente der Erinnerungen übrig. In der Regel ereilt uns die Demenz erst im hohen Alter. Alice (Julianne Moore) ist erst Anfang 50, als sie die ersten Symptome bemerkt. Die Diagnose des Arztes ist niederschmetternd: Alzheimer. Noch dazu ist die genetisch bedingte Krankheit erblich, kann also auch ihre beiden erwachsenen Töchter treffen. Für die erfolgreiche Wissenschaftlerin bricht der Boden unter ihren Füßen weg und ihr Mann John (Alec Baldwin) muss hilflos zusehen, wie Alice sich verändert.
Das Thema Alzheimer ist seltsamerweise immer noch ein Tabu und im Kino kaum ausgeleuchtet. Alice meint in einer Szene, wenn sie Krebs hätte, wäre das kein Problem, damit könnten die Leute umgehen. Ihre Demenz verschweigt sie in ihrem Arbeitsumfeld jedoch lange, schließlich ist die Vermittlung von Wissen ihr Job. Das macht die ansonsten etwas konventionell erzählte und formal auf TV-Niveau inszenierte Geschichte interessant. Die Buchvorlage von Lisa Genova schildert die Krankheit aus der Sicht der Patientin und zieht daraus ihre Kraft. Das erkannte auch Julianne Moore, die die Hauptfigur mit Hingabe spielt und schon allein den Kauf einer Kinokarte wert ist. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»Still Alice«: ab 5.3., Passage Kinos
kreuzer verlost Freikarten. eMail an film@kreuzer-leipzig.de (Betreff: »Unvergesslich«)
Nicky (Will Smith) ist ein langjähriger Meister der Irreführung. Er verliebt sich in die Nachwuchs-Gaunerin Jess (Margot Robbie). Doch während er ihr alle seine Tricks beibringt, entwickelt sich ihre Beziehung zu intensiv – und endet in einer abrupten Trennung. Drei Jahre später hat sich Nickys Ex zur vollendeten Femme fatale gemausert und taucht in Buenos Aires bei einem hochkarätigen Autorennen auf. Nicky inszeniert dort einen neuen und äußerst gefährlichen Coup, aber schon bald bringt sie ihn völlig aus dem Konzept – und schlägt den gewieften Ganoven mit seinen eigenen Waffen. »Focus« wurde von Glenn Ficarra & John Requa (»Crazy, Stupid, Love«) geschrieben und inszeniert, was einen unterhaltsamen Abend abseits der Komödienkonventionen Hollywoods verspricht.
»Focus«: ab 5.3., CineStar, Regina Palast, Cineplex
kreuzer verlost Freikarten. eMail an film@kreuzer-leipzig.de (Betreff: »Con Man«)
Die Filmtermine der Woche
Lunchbox
Kulinarische Liebesgeschichte, die sich durch die schicksalhafte Verwechslung eines Dabbawallas im Herzen von Mumbai entspinnt. Cinema & Dinner: anschl. 3-Gang-Menü mit Amuse bouche im Café des Haus der Demokratie.
6.3., 17 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Tru Love
Die Liebesbeziehung zwischen Tru und der älteren Alice wird dadurch erschwert, dass Alice die Mutter von Trus guter Freundin Suzanne ist.
6.3., 19 Uhr, Kinobar Prager Frühling (OmU)
Am Kölnberg
Der Dokumentarfilm über Bewohner einer Hochhaussiedlung in Köln feierte beim DOK Leipzig im vergangenen Jahr Premiere. Eine Besprechung findet ihr auf dem dokblog.
6.3., 20 Uhr, Cineding
My Stuff
Wie viel Kram braucht der Mensch? Der Finne Petri Luukkainen wagte ein Experiment: Ein Jahr lang lagerte der Regisseur seinen ganzen Besitz aus und durfte sich pro Tag nur ein Stück davon zurückholen. Die Kamera war immer dabei. Der unterhaltsame Dokumentarfilm feierte seine Premiere beim 56. DOK Leipzig. Premiere in Anwesenheit des Regisseurs.
6.3., 20 Uhr, Schaubühne Lindenfels
Das Mädchen Hirut
Der Publikumspreisgewinner von Berlin und Sundance erzählt die aufrüttelnde Geschichte der 14-jährigen Hirut, die des Mordes an ihrem Entführer angeklagt und zum Tode verurteilt wird. Die engagierte Anwältin Meaza Ashenafi nimmt sich ihres Falls an und führt einen zermürbenden Kampf gegen das Gesetz und eine männerdominierte Gesellschaft. Preview anlässlich des Weltfrauentages in Kooperation mit Amnesty International und Terre de Femmes.
8.3., 19 Uhr, Passage Kinos
Das Piano
Eine stumme Europäerin trifft Ende des 19. Jahrhunderts in Neuseeland ein, um ihren zukünftigen Mann zu treffen. Mit sich führt sie neben ihrer Tochter ein Klavier, das zum Katalysator einer Affäre mit einem eingeborenen Nachbarn wird. Intensiv dargestelltes Kammerspiel über die Selbstfindung einer Frau. Im Rahmen der Classic Reihe.
8.3., 17.15 Uhr, Regina Palast
Fucking Different XXY
Lesbischwule Kurzfilmreihe. Dokumentarische und fiktionale Arbeiten von sieben Transgender-Filmemachern.
8.3., 21.15 Uhr, Kinobar Prager Frühling
BANFF Mountain Film Festival
Im kanadischen Banff treffen sich seit 1976 Alpinisten, Filmemacher und Abenteurer mit Rang und Namen. Die Abenteuerkurzfilme und -dokus des Banff Mountain Film Festivals sind wieder auf Welttournee und bei einem zweistündigen Filmabend zu sehen.
9.3., 20 Uhr, Werk 2/Halle A
Das Schweigen
Das stilistisch radikale, parabelartige Drama von Ingmar Bergman um zwei Schwestern löste wegen seiner für die damalige Zeit provozierenden Darstellung von Sexualität teilweise einen Skandal aus.
9.3., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum
Zu früh, zu spät – Trop tôt, trop tard
Das Künstlerpaar Huillet und Straub setzt historischen Aufzeichnungen aus Frankreich und Ägypten reale Schauplätze entgegen. Ein Brief von Friedrich Engels, in dem er mit Zahlen belegt, wie viele Menschen am Vorabend der Französischen Revolution verhungert sind, sowie Auszüge aus »Klassenkämpfe in Ägypten« bilden die Grundlage. In der Reihe »Der Venezianische Spiegel«, mit Einführung.
10.3., 19.30 Uhr, Cinémathèque in der naTo
Short Attack: Sex und Wahnsinn
13 Filme in 85 Minuten um erotische Zwischenfälle.
11.3., 21 Uhr, Kinobar Prager Frühling