An dieser Stelle veröffentlichen wir das Editorial der November-Ausgabe des kreuzer. Interimschefredakteur Tobias Prüwer berichtet, was es im neuen Heft zu lesen gibt.
Großzügig oder grässlich, verkehrsberuhigt oder verschwenderisch? Lieben, gar schön finden wird niemand den Wilhelm-Leuschner-Platz. Doch haben sich viele Menschen arrangiert mit dieser planen Freifläche aus Beton und Wildwuchs zwischen Innen- und Südstadt. Andere genießen gar den unverstellten Blick während ihrer Platzquerung. »Stadt bedeutet Verdichtung«, kontern wieder andere mit dem Mantra des Urbanismus. Leipzig wächst, da könne die Halde aus Nichts nicht brachliegen. Nachdem die Debatte ums Freiheits- und Einheitsdenkmal versandete, werden Planungen für die Platzbebauung konkreter. Vor allem wird darüber gestritten, ob er mit Gebäuden gefüllt werden soll und wie zweckdienlich eine Markthalle ist. Politikredakteur Clemens Haug zeichnet in der Titelgeschichte diese Diskussion nach, in der ein Teilnehmer Leipzig »Größenwahn mit Augenmaß« attestiert. Dem wollen wir uns nicht verweigern und stellen eine als Wimmelbild visualisierte Alternative vor: das Wilhelm-Leuschner-Muscle-Beach. Hier verbinden sich Freiraum und Aufenthaltsqualität, Aktivität und Beinebaumeln zum demokratischen, weil kostenlosem und barrierefreiem Recht auf Stadt für alle. Man wird ja noch mal träumen dürfen.
Als sie auf den Hund kam, war sie längst gebissen geworden: Nur zwei Wochen nachdem unsere Autorin Henriette Schreurs eine Bello-Attacke erlitt, traf sie Hundekennerin Marie Nitzscher zum Spaziergangsplausch über das Verhältnis von Hund und Mensch. Lokaljournalismus ist an sich keine gefährlich Branche. Unser neuer Bildredakteur Henry W. Laurisch machte bei seinem Einstiegsheft andere Erfahrungen. In Markkleeberg wollte er eigentlich nur ein Stadionfoto machen. Der dortige Stadtfürst – so muss man ihn seinem Verhalten nach nennen – verwies ihn des Platzes und drohte polternd gerichtliche Schritte an, sollte der entsprechende Artikel negativ ausfallen. Wirklich brenzlig wurde es für unseren Fotografen, als er rund ums Rabet einen Beitrag über Drogenkonsumräume bebildern wollte. Auf der Suche nach weggeworfenem Spritzbesteck geriet er an eine Gruppe Jugendlicher, die mit dem Schmetterlingsmesser wedelnd Raublust andeuteten. Mit bestimmter Tonlage überzeugte er die pubertierenden Macker, ihr Opfer nicht gefunden zu haben. Laurisch tritt die Nachfolge von Franziska Barth an, der wir von Herzen danken und beim Aufbaustudium in Essen Freude und Erkenntnisse wünschen.
»Zwischen den Zeilen«: Eine Neuerung findet sich auch auf der letzten Seite. Hier erinnert fortan Kristin Vardi an Leipziger Intellektuelle und Künstler, die sich einst zwischen den Zeilen zu Wort meldeten, und führt an ihre heute oft verblassten Orte.
Leuchtend möge für Sie der November seinem Namen Nebelmonat zum Trotz sein!
TOBIAS PRÜWER (in Urlaubsvertretung)
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