Gesenkten Blicks und mit zur Schau gestellter Gleichgültigkeit betritt Isolation Berlin am Dienstagabend die Bühne des UT Connewitz. Scheue Blicke ins Publikum. Schnell die Instrumente durchgestimmt und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, geht es los. Und wie: »Ich bin ein Produkt, ich will, dass man mich schluckt, dass man mich konsumiert, sich in mir verliert«, Tobias Bamborschke (Gesang, Gitarre) schreit es mit weit aufgerissenen Augen heraus. Damit ist die Haltung klar, die Marschrichtung für den Abend vorgegeben. Isolation Berlin ist keine Band, die gefällige Liedchen zum Besten gibt.
Schon zu Beginn wird klar: Hier steckt ein Aufschrei in jedem Ton, in jedem Vers. Auch wenn die Songs zu Anfang durch eingängige Akkordwechsel eher ruhig und poppig ausfallen. Lyrisch bewegt sich Isolation Berlin auf so hohem Niveau, wie man das im deutschsprachigen Raum lange nicht vernommen hat. Texte wie die der Songs »Aufstehn, losfahrn« oder »In manchen Nächten« vom aktuellen Album »Und aus den Wolken tropft die Zeit« könnten sich ebenso gut in einem Gedichtband wiederfinden und sind doch derart provokant, dass sie auf der Bühne gut aufgehoben sind.
In der zweiten Hälfte nimmt das Konzert mit den härteren Songs »Körper«, »Prinzessin Borderline« und »Wahn« an Fahrt auf. Mit hämmerndem E-Bass, sich aufschaukelnden Becken, raumfüllenden Rückkopplungstiraden und sich überschlagender Stimme bringen Isolation Berlin die schönen Fassaden des modernen Großstadtlebens zum Einsturz. Nur um sogleich mit messerscharfen Texten einen so brutal ehrlichen Blick dahinter zu werfen, dass es weh tut. Depression, soziale Isoliertheit, Wahn, Misanthropie und Selbstmordphantasien werden hier schonungslos ins Rampenlicht gezerrt.
Bamborschke weiß, wovon er singt. Er sei an Berlin, an Isolation und Anonymität der Metropole zerbrochen, sagt er im Interview mit Kaput – Magazin für Insolvenz und Pop. Mag er weit unten gewesen sein, inzwischen scheint er die Bruchstücke aufgekehrt zu haben. Denn diese Musik ist voller Leben, voll jugendlichem Trotz. Bamborschke ergeht sich nicht in Selbstmitleid. Er hat seine abgründigen Erfahrungen in eine Waffe verkehrt, mit der er der Gesellschaft wutschnaubend und rücksichtslos den Spiegel vorhält. Vielleicht ist das der Grund, warum der große Hype um die Band bislang ausbleibt und auch das UT Connewitz an diesem Abend nur leidlich gefüllt ist.
Hinter Bamborschke steht mit David Specht (Bass) und Simeon Cöster (Drums) eine unaufgeregte Rhythmusgruppe, die dem Frontmann, der sich sichtlich verausgabt, ein sicheres Fundament bietet. Gerade Specht, mit seinem teuflisch dröhnenden, angezerrten E-Bass weiß dann aber auch seine Band-Kollegen in den harten Passagen ordentlich vor sich her zu treiben. Besonders zu erwähnen ist der kongeniale Max Bauer an der Lead-Gitarre bzw. Orgel. Seine ausgefeilten Melodie-Beigaben sind tragende Elemente der Songs. Auch seine Soli dienen immer als erstes dem Song und wirken in ihrer Verspieltheit niemals aufdringlich.
Nach gut eineinhalb Stunden und zwei Zugaben lassen Isolation Berlin das johlende Publikum standesgemäß in einer langgezogenen Rückkopplung des zuvor unsanft abgestellten Basses zurück. Es bleibt kein Zweifel – ein paar Verstärkter, Drums, eine eingeschworene Truppe und echte Emotionen – noch immer reicht das aus, um Menschen mitzureißen.