An dieser Stelle veröffentlichen wir das Editorial der Dezember-Ausgabe des kreuzer. Chefredakteur Andreas Raabe berichtet, was es im neuen Heft zu lesen gibt.
Total positiv wollten wir eigentlich sein in der Titelgeschichte zu diesem Heft. Ständig beschweren sich nämlich Leute bei uns, der kreuzer würde immer nur meckern. Also sollte es die schönsten und positivsten Erfolgsstories des nun vergehenden Jahres geben, ich wünschte mir das Foto vom kleinen Schweinchen in Gummistiefeln auf dem Cover (googeln Sie mal »Ferkel Gummistiefel«) – dazu die Überschrift: »Fröhliche Weihnacht, liebe Leserinnen und Leser! Ho, ho, ho und oink, oink, oink«.
Tja, wir sind gescheitert, jetzt ist wieder nur Gemecker vorn auf dem Titelblatt. Wie konnte es dazu kommen? Es ist ja nun nicht so, dass uns gar nichts Positives eingefallen wäre zu unserer schönen Heimatstadt Leipzig: Die Arbeitslosenquote sinkt, der Durchschnittslohn liegt inzwischen bei über 1.000 Euro im Monat, wir sind nicht mehr Armutshauptstadt (nur noch fast), die Karli hat nen Fahrradstreifen, wir haben drei ganz interessante größere Fußballvereine, es gibt ein verdammt gutes Stadtmagazin, ja, und außerdem ist Leipzig für junge Leute wahrscheinlich die coolste Stadt in ganz Deutschland.
Alles schön und gut! Aber irgendwie kam uns die Aufzählung dann doch zu rückwärtsgewandt vor. Wir schauen lieber nach vorn und sagen, was man noch besser machen kann: progressive Bessermachungsanspornung heißt das intern. »Nur am Widerspruch des Seienden zu dem, was es zu sein behauptet, lässt Wesen sich erkennen.« Das war Adorno, und nun wissen Sie Bescheid.
Zwanzig Wünsche für Leipzig haben wir aufgeschrieben. Gucken Sie da mal rein. Ein paar Dinge haben wir vergessen, zum Beispiel die Eishalle. Leipzig braucht unbedingt eine Eishalle zum Schlittschuhlaufen und für die Ice Fighters, oder? Außerdem brauchen wir das Bürgerticket, einen Hanns-Eisler-Platz, die Abschaffung des Leipziger Modells in Stadtrat und Verwaltung und die komplette Untertunnelung der Stadt in Form eines Pentagramms, um jeglichen Automobilverkehr unter die Erde zu bringen. Kinderlachen, Picknick und freie Liebe auf der Augustusplatz-Kreuzung!
Zu vermelden gibt es schöne und traurige Dinge. Fangen wir an mit den traurigen. Augen zu und durch: Gilbert hört auf, Literatur-Chef Olaf Schmidt geht von Bord, der kreuzer-Talk »kreuzer, Korn & Kippen« legt eine kreative Schaffenspause ein. Autsch.
»kreuzer, Korn & Kippen« war eine unglaublich spannende und spaßige Veranstaltung. Doch leider schaffen wir es nicht, sie immer im gedachten Format zu organisieren – thematisch möglichst aktuell und außerdem spannend besetzt. Vielleicht gehts irgendwann weiter, mal gucken.
Anna Haifisch, Schöpferin des Comic-Ganterichs Gilbert, ist inzwischen so berühmt geworden, dass sie nach vier Jahren Gilbi erst mal Pause machen muss, um sich all den anderen Projekten und ihrer inzwischen weltweiten Fanbasis zu widmen. Viel Erfolg, Anna, und danke für deine Treue!
Dr. Olaf Schmidt, kreuzer-Literatur-Redakteur, hat dieses Blatt geprägt, wie kaum ein anderer. Stets war er unser konservativ-abgedrehtes Korrektiv. In Stilfragen wie auch in Angelegenheiten des trockenen Humors norddeutscher Prägung machte ihm keiner etwas vor, niemand wusste seine Autoren so fabelhaft zu redigieren wie unser Doktor. Nun ist er im Namen des Herrn unterwegs und organisiert einen Kirchentag in Leipzig (hat irgendwas mit Luther zu tun). Olaf, wir werden dich sehr, sehr vermissen!
Doch derweil hat Clara Ehrenwerth den kreuzer geentert – als neue Literatur-Redakteurin. Wie der Doktor ist auch Clara vom Fach, mit ganz praktischen Erfahrungen sowohl in Kritik als auch Genese der Literatur. Clara: Anker auf und äußerste Kraft voraus! Herzlich Willkommen!
Und nun wünsche ich eine gute Lektüre!
ANDREAS RAABE
chefredaktion@kreuzer-leipzig.de