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Ein Heimatfilm

Der Leipziger Olaf Held drehte in seiner Heimat Chemnitz die absurde Kurzfilmreihe »Hammerthal«

  Ein Heimatfilm | Der Leipziger Olaf Held drehte in seiner Heimat Chemnitz die absurde Kurzfilmreihe »Hammerthal«

Ein Hautausschlag in Großaufnahme. Der Polizist sitzt vor dem PC und vergleicht Bilder von Ekzemen mit dem Muster auf seinem Arm. Schließlich klopft er bei den Kollegen in der Pathologie an, die gerade einen Hirntumor vermessen, und verlässt den Saal mit Salbe. Da muss kurzerhand ein kleinkrimineller Schläger herhalten, der früher am Abend noch den einzigen Jugendclub im Ort zerlegt hat. Ein paar Mädels hatten das Grenzschild versetzt und plötzlich blieben die Freier im schäbigen Bordell die Straße runter aus. Jetzt reibt er dem Beamten den Rücken ein. Im Hintergrund versucht ein verzweifelter Kollege, den Diensthabenden anzufunken, denn er wartet auf den nächsten Zug im Fernschach.

Der absurde Kosmos, den Olaf Held in dem beschaulichen Örtchen »Hammerthal« entwirft, ist einzigartig in der deutschen Filmlandschaft. »Die Idee ist 2010 entstanden, als ich auf Arte eine Dokumentation über die US-amerikanische Grenze gesehen habe, über Bürgerwehren, die sich dort gründen, um die Grenze vor Flüchtlingen abzusichern. Das ist dann in die Geschichte des fiktiven Orts Hammerthal geflossen.« Der ortsansässige Tischler Kummer kommt auf die grandiose Idee, ein paar der Geflüchteten im Jugendclub unterzubringen, damit sie für ihn arbeiten. Schließlich steht ein Großauftrag für Finnhütten an.

Dies ist nur eine von vielen wunderbar abwegigen Ideen, die Held in »Hammerthal« fließen ließ. Teil eins und zwei entstanden 2015 und waren ursprünglich eigentlich ein Film. Der war mit 50 Minuten allerdings zu lang für Kurzfilmfestivals. So machte der Regisseur und Drehbuchautor kurzerhand zwei daraus. Der 47-Jährige wuchs in Karl-Marx-Stadt auf. Dort arbeitete er im Kino im Kulturzentrum Voxxx, wo er die Filme von Kaurismäki und Jarmusch entdeckte, und lernte das Filmemachen in der Chemnitzer Filmwerkstatt, wo er später auch als Medienpädagoge arbeitete. 2006 studierte der gelernte Werkzeugmacher und Reiseverkehrskaufmann dann Drehbuch/Dramaturgie an der HFF Potsdam.

»In einem Drehbuchstudium bist du permanent dabei, Stoffe zu entwickeln, die dann aber meist nicht entstehen. Die sind aber ja trotzdem noch da.« Aus einem dieser Bücher entstand »Daheim«, der erste mittellange Film, der von der Hochschule als Vordiplomsfilm ausgewählt und dann mit einer Produzentin aus Dresden und Fördermitteln aus Sachsen umgesetzt wurde. »Daheim« gewann beim Internationalen Kurzfilmfestival in Hamburg, wurde dann nach Prag eingeladen und gewann auch dort.

»Es macht unheimlich Spaß, wenn man kreativ sein kann.«

Den Draht zur Heimat verlor Held aber nie. »Wir treffen uns mit Freunden aus der Chemnitzer Filmwerkstatt einmal im Jahr, um einen Film zu drehen. Das ist dann immer so was wie ein Ferienlager. Und dann drehen wir halt zehn Tage diese Ideen, die ich gesammelt habe. Das Schöne ist, dass das zum Selbstläufer wurde. Durch die Festivals kam genug rein. Bis hin zum Deutschen Kurzfilmpreis, den wir gewonnen haben. Dadurch können wir auch immer wieder Referenzen abrufen.«

Zwischenzeitlich sind er und viele seiner Freunde gut im Geschäft, als Autoren, Regisseure oder Beleuchter. »Interessant ist, dass wir gerade mit den Filmen der Filmwerkstatt Preise gewinnen, wo es keine redaktionelle Betreuung gibt. Ralf Glaser, unser Produzent, ist gleichzeitig Kameramann und lässt mir da relativ freie Hand, solange es finanziell realisierbar ist. Es macht unheimlich Spaß, wenn man kreativ sein kann.«

Im November traf man sich in Rübenau, zwischen Olbernhau und Reitzenhain, direkt an der tschechischen Grenze, etwa 40 Kilometer südöstlich von Chemnitz, um den dritten Teil von »Hammerthal« umzusetzen. »Das Schöne ist, dass man dort seine Ruhe hat. Man braucht keine Straßen abzusperren, weil da ständig einer in die Kamera läuft.«

In »Hammerthal Kapitel 3: Glösa Nostra« geht es um »Crystal Meth, Geheimdienste und Verschwörungstheorien«, wie Held sagt. Axel Ranisch konnte als Darsteller verpflichtet werden und »hat auch noch mal viele Ideen mitgebracht«. Die beiden kennen sich von der Hochschule. Das Ergebnis befindet sich nun in der Postproduktion und soll im Frühjahr fertiggestellt sein.

Solange die Ideen nicht ausgehen, soll danach nicht Schluss sein. »Die Planung für Teil vier ging schon los, während wir den dritten Teil gedreht haben. Wir spielen ja auch gerne mit den Genres und haben uns gedacht, eine Art Öko-Horror zu inszenieren. Auch die neue rechte Szene soll mit rein, die sich derzeit Jugendclubs auf dem Land aneignet, um dort eine alternative Jugendkultur aufzubauen, in ihrem Sinne.«

Bis es so weit ist, werden wohl wieder zwei Jahre ins Land gehen. In der Zwischenzeit kann man Kapitel eins und zwei in Kürze beim MDR sehen und auch für Teil drei hat der Sender eine Option erworben. Es gibt also anscheinend Raum für den absurden Kosmos von »Hammerthal« im öffentlich-rechtlichen Fernsehen – wenn auch, aller Voraussicht nach, in der Tiefe der Nacht.


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