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Problem der Peripherie

Wie zwei Frauen versuchen, die Hochkultur in Naunhof zu retten

  Problem der Peripherie | Wie zwei Frauen versuchen, die Hochkultur in Naunhof zu retten

Liederabende sind selbst in der vielfältigen Leipziger Kulturlandschaft eine Rarität. In der 30 Kilometer entfernten 8.500-Seelen-Stadt Naunhof finden sie trotzdem regelmäßig statt. Vier Mal im Jahr lädt die Naunhofer Kulturwerkstatt zu den »Rathauskonzerten« ein. Obwohl der Titel der Veranstaltungsreihe etwas anderes verheißt, handelt es sich tatsächlich um Liederabende, die im Bürgersaal stattfinden.

»Die Liederabendreihe ist zwar relativ neu, der Rahmen aber alt«, erklärt Henriette Reinhold, Organisatorin der Veranstaltung, »meine Mutter hat schon 1996 unter dem Titel der Rathauskonzerte angefangen, klassische Musik in die Stadt zu bringen.« Bis vor zwei Jahren hatte Annette Reinhold noch die Leitung der Konzertreihe inne, dann gab sie sie an ihre Tochter ab»Ich habe dann beschlossen, daraus eine Liederabend-Reihe zu machen, weil ich mich in dem Bereich gut auskenne und deshalb gute Qualität liefern kann«, sagt die 27-Jährige, die selbst als freischaffende Sängerin tätig ist.Obwohl die Veranstaltungsreihe auf eine mehr als 20-jährige Geschichte zurückblicken kann und in Naunhof fester Bestandteil des Kulturkalenders ist, steht sie vor einem massiven Problem: Das Publikum bleibt aus. Und das, obwohl bei den Veranstaltungen regelmäßig bekannte Künstler wie zum Beispiel Theo Adam, Tobias Bernd oder Thomaskantor Georg Christoph Biller auftreten. »Statt der möglichen 150 Zuschauer kommen meist nur um die 20«, erklärt Henriette Reinhold. Woran liegt das? »Es ist so, dass das Lied ein Genre für Liebhaber ist. Man muss zumindest mal in Kontakt damit gekommen sein und gesehen haben, dass das toll ist, um zu so einer Veranstaltung zu gehen. Es zieht leider nicht so sehr wie ein Gospelchor«, sagt die junge Frau.

Aber es gebe noch andere Gründe fürs Ausbleiben des Publikums, sagt Anja Gaitzsch, die Leiterin der Naunhofer Kulturwerkstatt: »Es war schon zum Ende der Zeit von Annette Reinhold sichtbar, dass wir einen rückläufigen Besucherstrom hatten. Es weiß zwar niemand, woran genau das liegt, weil die Konzerte immer gut angenommen wurden, aber man muss ganz plump ausgedrückt zugeben: Uns sind die Leute auch weggestorben.« Das kulturelle Angebot in Naunhof sei vor allem für die Leute gedacht, die nicht mehr mobil sind, erklärt Gaitzsch, die Jüngeren würden ohnehin nach Leipzig gehen. »Es ist uns nach dem Ausbleiben des Publikums aber leider nicht gelungen, dass neues Publikum nachrückt«, sagt die Leiterin der Kulturwerkstatt.

Um in Zukunft wieder mehr Menschen zu den Liederabenden zu bringen, setzen die beiden Frauen auf mehr Öffentlichkeitsarbeit. Statt der angedachten sechs gab es 2017 nur noch vier Konzerte, um mehr Geld für Werbung zur Verfügung zu haben. In diesem Jahr wollen sie es genauso handhaben. »Ich hoffe, dass das wirklich etwas bringt«, sagt Henriette Reinhold. Geworben werde vor allem in Naunhof und den angrenzenden Kommunen, sagt Anja Gaitzsch. »Es ist ein werbetechnisches Problem«, sagt die Kulturwerkstattleiterin, »obwohl unsere Stadträte die Kultur sehr unterstützen, reicht das Geld einfach nicht, um Werbung in Leipzig zu machen. Ich hoffe doch sehr, dass es uns in diesem Jahr trotzdem gelingt, mehr Leute ranzuholen, damit es weitergehen kann.«

Ein Aus für die Konzerte wäre für Henriette Reinhold ein herber Schlag: »Es ist schwer, so was aufzugeben, auch, weil meine Mutter die Reihe aufgezogen hat.« Aber auch für die Naunhofer wäre das Ende der Rathauskonzerte sicher bitter. Welche Kleinstadt kann schon von sich behaupten, regelmäßig bekannte Künstler zu Gast zu haben? Die Rettung könnte Publikum aus Leipzig sein. »In Leipzig gibt es Liebhaber des Genres«, sagt Reinhold, »allerdings denken sich viele Leipziger: Oh, da muss ich mich erst in den Zug setzen. Aber eigentlich ist es gar nicht so weit. Nach Markkleeberg fährt man mit der Straßenbahn genauso lange.« Die Fahrt nach Naunhof dauert rund 25 Minuten. Überzeugt vom eigenen Angebot, sind die gesteckten Ziele für das neue Jahr hoch: »Wir wollen an die Erfolge der vergangenen Zeit anknüpfen«, sagt Anja Gaitzsch bestimmt.


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